Friedrichshafen / sz - Als die Zahnradfabrik GmbH im Sommer 1915 aus der Taufe gehoben wurde, herrschte Krieg. Ein Krieg, der zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nach industriellen Maßstäben geführt wurde – zu Wasser, zu Land und in der Luft. Der Kriegsökonomie wurde die ganze Wirtschaft untergeordnet, und sie bescherte auch dem Luftschiffbau Zeppelin und seinen angegliederten Firmen einen gewaltigen Auftrieb.
Die zivile Nutzung der Zeppeline, die durch die Gründung der Deutschen Luftschifffahrts AG (DELAG) ab 1909 eingeleitet worden war, trat vollkommen in den Hintergrund. Die intakten DELAG-Schiffe mussten an das deutsche Heer und die Marine abgeliefert werden. Und diese nutzen sie nicht nur zur Aufklärung, sondern hatten ein großes Ziel: Bomben auf England abzuwerfen.
Graf Zeppelin, der seine Erfindung von Anfang an in den Dienst des Militärs stellte, war von der Vorstellung eines vernichtenden Schlages aus der Luft beflügelt und gab im fortgeschrittenen Alter von 76 Jahren noch einmal den General. Dem Kaiser bot der alte Herr an, persönlich das Kommando über jenes Luftschiff zu übernehmen, das die erste Bombe über London abwerfen sollte. Wilhelm II. fand das Ansinnen zu forsch und pfiff Zeppelin zurück.
Doch die Generalität wollte Lufthoheit demonstrieren und ließ im August 1914 über Lüttich und Antwerpen die ersten Bomben aus Zeppelinen abwerfen. Anfang 1915 wurde die "Wunderwaffe" schließlich auf London gerichtet. Bei den militärisch sinnlosen Angriffen, die bis Sommer 1918 fortgesetzt wurden, kam es zu immer größeren Verlusten. Die Luftschiffriesen hatten den Flugzeugen nichts entgegen zu setzen. Zwei Drittel der 88 Kriegszeppeline gingen verlorenen, davon die Hälfte durch Feindeinwirkung, der Rest durch Unfälle. Mehr als 500 Menschen kamen bei den Angriffen ums Leben, ebenso viele Besatzungsmitglieder.
Technisch unausgereift
Die Zeppeline hatten nicht nur mit Wind, Wetter und Flugzeugen, sondern mit allerlei technischen Problemen zu kämpfen. Der ganze Antriebsstrang mit langen Stahlwellen, die die Kraft der Motoren auf die Propellergetriebe übertrugen, erwies sich als anfällig. Zeichen dafür waren starke Erschütterungen und ohrenbetäubender Lärm in den Gondeln. Die eingesetzten Kegelräder waren ihrer Aufgabe konstruktionsbedingt nicht gewachsen.
Abhilfe versprach sich Alfred Graf von Soden-Fraunhofen, Leiter der Versuchsabteilung der Luftschiffbau Zeppelin GmbH, vom Schweizer Ingenieur Max Maag in Zürich. Dieser hatte ein Verfahren zur Herstellung mathematisch genau geschliffener Zahnräder entwickelt. Was Maag wiederum fehlte, waren zahlungskräftige Vertragspartner. Graf Zeppelin nahm über Alfred Colsman, Direktor der Luftschiffbau Zeppelin GmbH, im Frühjahr 1915 Verhandlungen mit Max Maag über den Ankauf von Zahnrad-Werkzeugmaschinen auf. Sein Ziel war, damit eine selbstständige Zahnradfabrik aufzubauen.
Am 20. August 1915 unterzeichneten Colsman und Maag die notarielle Vereinbarung zur Gründung der "Zahnradfabrik, Gesellschaft mit beschränkter Haftung" mit Sitz in Friedrichshafen; die Eintragung ins Handelsregister des Amtsgerichts Tettnang erfolgte am 9. September 1915. Alfred Graf von Soden-Fraunhofen und Theodor Winz wurden zu Geschäftsführern bestellt. Der Zweck des Unternehmens beschränkte sich nicht auf den Luftschiffbau. Er umfasste vielmehr die ganze Bandbreite der "Herstellung von Zahnrädern und Getrieben für Luftfahrzeuge, Motorwagen und Motorboote". Im Frühjahr 1916 bezog das junge Unternehmen mit 62 Mitarbeitern ein Fabrikgebäude auf der Gemarkung Löwental. Bis zur Auslieferung der ersten serienreifen Zahnräder und Getriebe sollten noch zwei Jahre vergehen. Mit der Fertigung von Luftschiffgetrieben war es dann auch schnell vorbei. Die Zeppeline hatten mit dem Tod ihres Erfindert 1917 ihren Mythos verloren und hatten als "Wunderwaffe" versagt.
Da die Zahradfabrik nicht als kriegswichtiger Betrieb anerkannt wurde, gestaltete es sich schwierig, Zuteilungen für Personal und Material zu erhalten. Vor der Wahl, den Betrieb einzustellen oder eine neue kriegsbedeutende Beschäftigung zu suchen, begann ZF mit der Entwicklung von Untersetzungsgetrieben für Flugzeugmotoren.
Die Auftragslage entwickelte sich daraufhin positiv. Das Kriegsende 1918 brachte jedoch die Produktion schnell wieder zum Erliegen. Mit dem Abschluss des Versailler Vertrages wurde der deutschen Luftfahrt die Grundlage entzogen. Für die bis zur Fertigungsreife entwickelten Getriebe für Flugzeuge und Luftschiffe war kein Markt mehr vorhanden.
Umwandlung in eine AG
Mit dem Ende des Krieges befand sich ZF also in einem Dilemma: Zwar war die Ausstattung des Maschinenparks hochwertig, allerdings war die Produktion nach Ende des Kriegs nur zu 20 Prozent ausgelastet. Gleichzeitig litt das junge Unternehmen unter einer erdrückenden Schuldenlast, die potenzielle Investoren und Banken abschreckte.
Die beiden Gesellschafter – die Luftschiffbau Zeppelin GmbH und die Maag Zahnräder- und Maschinen AG – waren nicht bereit, noch mehr Geld zu investieren. Deshalb schlug Alfred Colsman im März 1921 die Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft vor. Das sollte die Beschaffung von Geldern auf dem Kapitalmarkt erleichtern.
Im Juni 1921 war es so weit. Das Gründungskapital der "Zahnradfabrik Friedrichshafen Aktiengesellschaft" betrug fünf Millionen Reichsmark, davon hielt vier Millionen Mark die Luftschiffbau Zeppelin GmbH, eine Million die Maag Zahnräder- und Maschinen AG. Zu den Vorständen wurden Gustav Habermaas und Alfred Graf von Soden-Fraunhofen berufen.
Aufschwung brachte in den 20er Jahren die Fahrzeugindustrie. Die Qualität der nach dem Maag-Verfahren hergestellten Zahnräder und der Getriebe für Automobile war auf dem deutschen Markt einzigartig. Dennoch hatte ZF mit Absatzschwierigkeiten für Komplettgetriebe zu kämpfen, denn die Fahrzeughersteller hatten den Ehrgeiz, Getriebe selbst zu entwickeln und zu produzieren. Um als Zulieferer zu überleben, passte sich ZF den Wünschen der Automobilhersteller an und beute teilweise ihre Getriebe nach.
Fahrzeuggetriebe sind gefragt
1919 brachte ZF unter dem Namen 8-PS-Autogetriebe ein einfaches Dreigang-Getriebe auf den Markt, das jedoch nie Großserienstatus erreichte. Auch das Soden-Getriebe, das 1921 auf der Automobilausstellung in Berlin vorgestellt wurde, kam nicht zu großen Stückzahlen.
Die Lage besserte sich entscheidend, als ZF 1925 unter dem Motto "Einheit statt Vielfalt" auf der Berliner Autoschau ein "Einheitsgetriebe" für Pkw und Lkw vorstellte, das es ermöglichte, in Großserie zu produzieren. Rationelle Fertigung, niedriger Preis und einheitlicher Ersatzteiledienst waren überzeugende Argumente für die Hersteller und trugen zum Erfolg des Einheitsgetriebes bei: ZF fertigte insgesamt mehr als 300000 Stück. Damit war auch eine unternehmerische Weichenstellung verbunden: ZF betrachtete sich in erster Linie als Zulieferunternehmen für die Automobilbranche, inklusive Nutzfahrzeugtechnik und Sonderanwendungen – die Anfänge in der Luftfahrt-Industrie verblassten. Zwar wurden die Getriebe für das Luftschiff Hindenburg noch unter ZF-Ägide produziert, die Konstruktionshoheit lag jedoch bei der Luftschiffbau Zeppelin GmbH.
Ab 1929 wird’s lautlos
Der wirtschaftliche Erfolg ermöglichte weitere Investitionen. Um möglichst nahe am Kunden zu sein, gründete ZF 1926 ein Zweigwerk in Berlin. Im gleichen Jahr erwarb ZF eine Lizenz der belgischen Automobilfirma Minerva für ein neues Verfahren zum Schleifen von Evolventenprofilen schräg verzahnter Stirnräder. Das führte zu einem weiteren technologischen Sprung.
1929 brachte ZF das Aphon-Getriebe (zu deutsch: Lautlos-Getriebe) auf den Markt. Es lief in den nobelsten Automarken wie Horch 951A, Walter Royal oder Röhr 8. 1931 gelang es den ZF-Ingenieuren über eine Lamellenkupplung die Gänge zu synchronisieren. Damit fiel das lästige Zwischengasgeben weg.
Mit dem Einstig ins Lenkungsgeschäft weitete das Unternehmen 1932 erstmals ihr Produktangebot aus und knüpfte gleichzeitig Geschäftsverbindungen nach Amerika.
Im nächsten Teil unserer Serie zu 100 Jahre ZF geht es um wichtige Persönlichkeiten.