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Klangzauber und brausender Schauer auf der Woehl-Orgel von St. Nikolaus

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Friedrichshafen / sz - Mit einem letzten Klangfeuerwerk auf der Woehl-Orgel ist am Sonntagabend in St. Nikolaus der Orgelherbst 2014 zu Ende gegangen. Es ist immer wieder faszinierend, welch hochkarätige Organisten Nikolai Geršak nach Friedrichshafen holt. So auch Robert Sharpe, seit 2008 erster Organist im Münster von York (England), der in ganz Europa und den USA konzertiert.

Rund vierzig Zuhörer verfolgen auf der Leinwand das Spiel seiner Hände oder lauschen mit geschlossenen Augen. Unter ihnen Dekan Peter Nicola, der morgens noch in Salem mit Erzbischof Stephan Burger den Pontifikalgottesdienst zum 600. Weihejubiläum des Münsters gefeiert hatte. Er ist gekommen, weil Sharpe zwei Tage zuvor auf der Salemer Orgel ein Konzert gegeben und ihn so begeistert hatte, dass er ihn unbedingt nochmals erleben wollte.

Sharpe selbst zeigte sich begeistert von der „amazing acoustic“ und dem ebenso großartigen Instrument von St. Nikolaus, dem er eine gute Stunde lang die ganze Klangfülle entlockte.

Behutsam setzte er ein mit Matthew Camidges (1774-1844) Concerto Nr. 2 g-Moll. Sanft berührten die Finger die Tasten, ein Griff zu Registerzügen und die Melodie wurde farbig, freudig eilte sie dahin im lichten und frohen Adagio. Ein bezauberndes Flötenkonzert erklang im 3. Satz, elegant lud zuletzt eine Gavotte zum Tanz. Auf die luftig leichte englische Komposition folgte mit J.S. Bachs Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 glänzende Festlichkeit. Fein ziseliert, vielfarbig leuchtend und zuletzt majestätisch brausend interpretierte Sharpe die Tripelfuge, den Gipfelpunkt einer jahrhundertelangen Entwicklung.

Große Klangfülle

Wunderbare Ruhe brachte danach Edward Bairstows (1874-1946) „Evening Song“, ein Stimmungsbild voller Pastellfarben. Immer neue fröhliche Weisen erwachten, das Lied war Gebet und Wiegenlied zugleich, man wollte tief eintauchen in die spätromantische Zauberwelt, die leise verglühte. Kraftvoll folgte César Francks Choral Nr. 3 a-Moll. Reiche Dynamik und überwältigende Farbkontraste prägen das im letzten Lebensjahr entstandene Werk mit seiner unruhig flackernden Bewegung in der Oberstimme, seinem eindrucksvollen Trompetensolo und dem hymnisch gesteigerten Ende.

Den Abschluss bildeten zwei Stücke aus Louis Viernes „Pièces de fantaisie“. Silbrige Töne verzauberten die Zuhörer in „Clair de lune“, während der „Carillon de Westminster“ den Westminster-Gong in immer neuen Schwingungsüberlagerungen erleben ließ, wie sie bei einem Geläute entstehen.

Immer intensiver, suggestiver überwältigte die Musik, schwoll an, bis schließlich der ganze Kirchenraum vom Brausen erfüllt war, ja zu bersten drohte und einen erschauern ließ. Wie klein ist der Mensch angesichts solcher Klangfülle.


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