Friedrichshafen / sz - „Reise zum Anfang des Sonnensystems“ lautet der Titel eines Raumfahrtabends im Dornier Museum in Friedrichshafen am 8. Oktober ab 18.30 Uhr. Veranstaltet wird der Raumfahrtabend vom Freundes- und Förderkreis Dornier Museum. Einer der Referenten ist Gunther Lautenschläger, Projektleiter „Rosetta“ bei Airbus Defence and Space. Hildegard Nagler hat ihn vorab befragt.
SZ: Herr Lautenschläger, wie erklären Sie in wenigen Worten einem Laien die Bedeutung der Kometensonde „Rosetta“ und Ihrer Mission? Ist sie ein Meilenstein in der Geschichte der Raumfahrt?
Lautenschläger: Manche vergleichen die Rosetta-Mission in Ihrer Bedeutung mit der Mondlandung. Technisch und wissenschaftlich gibt es viele "Firsts", also Dinge die vorher noch nie gemacht wurden. Bisher war noch niemand (auch nicht NASA) so nah an einem Kometen wie unsere Weltraumsonde. Dort angekommen, messen und analysieren wir die Urmaterie, die auf dem Kometen konserviert wurde.
Die Rosetta Mission ist eine fantastische Reise ins Unbekannte eine Reise in eine Entfernung von 800000 000 Kilometer von der Sonne und 4,6 Milliarden Jahre zurück zur Entstehung unseres Sonnensystems.
SZ: Was war beim Bau von „Rosetta“ besonders spannend?
Lautenschläger: Als Airbus DS 1997 von der Europäischen Weltraumorganisation ESA den Auftrag bekam Rosetta zu bauen, schien die Mission kaum umsetzbar. Wir mussten viele unterschiedliche Herausforderungen für den zehnjährigen Anflug und die folgenden zwei Jahre in der Nähe des Kometen meistern.
Speziell für Rosetta wurden neue Technologien und innovative Missionskonzepte entwickelt. Beispielsweise kann die Sonde durch „Weltraum-Jalousien“ sowohl der großen Hitze in der Nähe der Sonne, als auch der extremen Kälte in der Tiefe des Weltraums standhalten. Rosetta verfügt auch über Solar-Module, die die minimale Strahlungsenergie (4 Prozent) in der Tiefe des Alls noch in genügend elektrische Energie umwandeln.
Die Kommunikation zwischen der Erde und der Sonde dauert etwa 30 Minuten. Das bedeutet: Erst nach einer Stunde sehen die Raumfahrt-Ingenieure das Ergebnis eines gesendeten Kommandos. Also überwacht sich die Sonde selbst und reagiert eigenständig auf mögliche Fehler. Rosetta ist zum Überleben konstruiert.
SZ: Der Titel Ihres Vortrags lautet „Rosetta – Taxi in die Tiefen des Weltraums“. Um was geht es in ihrem Vortrag?
Lautenschläger: Wir haben das Weltraum-„Taxi“ gebaut, das die 21 wissenschaftlichen Experimente wie „Fahrgäste“ sicher zum Zielkometen bringt. In meinem Vortrag werde ich unser Publikum auf diese spannende Reise ins Unbekannte mitnehmen und anhand spektakulärer Bilder die Herausforderungen während des Fluges zeigen.
SZ: Was fasziniert Sie persönlich an „Rosetta“?
Lautenschläger: Ich persönlich finde es toll an so einer einzigartigen Mission mitzuarbeiten und gemeinsam mit einem exzellenten Team diese Weltraumsonde konstruieren und betreuen zu dürfen.
SZ: Rosettas Reise hat am 2. März 2004 begonnen. Gab es während dieser Reise kritische Situationen?
Lautenschläger: Ja, die bisher kritischste Phase war das Überleben im tiefen, kalten Weltraum. Daher haben wir uns im Tierreich eine Überlebensstrategie abgeschaut und Rosetta in den Winterschlaf geschickt. Dadurch konnten wir Rosetta sicher für 2,5 Jahre ohne jeglichen Funkkontakt im kalten All „überwintern“ lassen. Für mich war es extrem spannend, im Januar auf das Aufwachen von Rosetta zu warten.
SZ: Werden Sie vor dem Bildschirm sitzen, wenn Rosetta das Landegerät Philae absetzt?
Lautenschläger: Ja, auf jeden Fall! Mit mir werden weitere Airbus DS-Mitarbeiter die Landung in Darmstadt beim Europäischen Raumfahrt Kontrollzentrum (ESOC) verfolgen. Die Kommandos werden von den ESOC-Operations-Ingenieuren gegeben, die von uns beraten werden.
Ebenso sind unsere Mechanik-Experten, die am Philae-Lander mitgearbeitet haben, in Köln dabei. Dort ist das LCC, das Lander Control Center, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
SZ: Gäbe es Veränderungen, würde man Rosetta heute nochmals bauen, das heißt, hat man in der relativ langen Zeit ihrer Reise neue Erkenntnisse gewonnen?
Lautenschläger: Im Prinzip könnten das Rosetta-Grunddesign und das Missionskonzept gleich bleiben. Rosetta würde heute also sehr ähnlich aussehen. Allerdings sind seit der Konzeption fast 20 Jahre vergangen, die Technik hat sich weiterentwickelt. Heute, würde man beispielweise einen leistungsstärkeren On-Board Computer einbauen können.
SZ: Inwiefern profitiert der Normalverbraucher von Rosetta und ihrer Mission?
Lautenschläger: Rosetta ist eine Forschungs-Mission. Das Wissen um die Entstehung unseres Sonnensystems, der Planeten und die Frage nach der Entstehung des Lebens auf der Erde ist Allgemeingut. Rosetta wird diese Wissensbasis verbreitern – für alle.
Der Raumfahrtabend beginnt um 18.30 Uhr. Nach der Begrüßung referieren refererieren Gunther Lautenschläger, Projektleiter Rosetta bei Airbus DS zum Thema „Rosetta – Taxi in die Tiefen des Weltraums“, Dr. Norbert Pailer, Astrophysiker und Buchautor zum Thema „Kometen – Spielbälle der Sonne“ und Prof. Dr. Berndt Feuerbacher, Projektleiter Philae-Entwicklung beim DLR zum Thema „Rosetta und Philae – nach zehn Jahren Flug am Ziel“. Eintritt frei.