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Notunterkünfte sind die letzte Rettung

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Friedrichshafen / sz - Es führt wohl kein Weg daran vorbei, Notunterkünfte für Flüchtlinge im Bodenseekreis einzurichten. "Der Plan B liegt auf dem Schreibtisch", sagte Landrat Lothar Wölfe vergangene Woche im Sozialausschuss des Kreistags. Konkret heißt das, man bereitet sich mit dem Katastrophenschutz darauf vor, mehrere Hundert Menschen in Hallen unterzubringen. Betten, Spinde, Kühlschränke sind bestellt. Zwei Fabrikhallen und eine Turnhalle stehen für Flüchtlinge zur Verfügung.

"Wir sind noch dabei zu schauen, was wir baulich und einrichtungstechnisch machen müssen", sagt Wölfle im Gespräch mit der SZ. Weshalb er über die ins Auge gefassten Objekte noch nichts sagen will. "Ich wäre froh, wenn wir diese Karte nicht ziehen müssten", beteuerte der Landrat. Doch angesichts der steigenden Zuweisungsraten und der Verzögerung bei Bauvorhaben und bei der Belegung von Gebäuden, "müssen wir sie griffbereit haben".

Die Lage ist ernst: Statt der angekündigten 100 Flüchtlingen kamen im Juli 155. Nur dank der Unterstützung der Stadt Friedrichshafen sei es gelungen, diese Menschen mit einem Dach über dem Kopf zu versorgen. Viel mehr ist es nämlich nicht, was die Flüchtlinge bekommen. 4,5 Quadratmeter pro Person mit Bett und Spind. Eine Fünf-Zimmer-Wohnung für 20 Leute – "möchten Sie so untergebracht werden", habe er vor kurzem eine alleinerziehende Mutter gefragt, die sich bitter beschwert habe, dass Asylbewerber Wohnungen bekommen, sie aber nicht.

Sozialneid und Angst

Der Sozialneid ist das Eine, die Angst das andere. Beide Reaktionen machen dem Landrat Sorgen. "Hier kommen Menschen, keine Monster", zitiert er den Tettnanger Bürgermeister Bruno Walter. Aber nicht nur dieser habe in seiner Stadt zu kämpfen. Nahezu überall, wo Unterkünfte geplant und gebaut werden, regt sich Widerstand. Leise und versteckt wie in Immenstaad, wo Nachbarn im Kapellenweg Unterschriften gegen die Belegung der ehemaligen Gardinenfabrik sammelten. Ihre Bedenken wurden abgewiesen, die Baugenehmigung ist erteilt. Ob sie den Klageweg beschreiten und damit das Vorhaben weiter blockieren, ist noch unsicher. Schwierig wird es auch in Owingen-Billafingen, wo der ehemalige Gasthof Bräuhaus mit 46 Flüchtlingen belegt werden soll. Im Ortschaftsrat wurde der Bauantrag vertagt. In einer Bürgersammlung ging es äußerst heiß her. Aufgebrachte Bürger schickten sogar Jugendliche mit Protestplakaten in den Saal. Zum Glück seien so scharfe Reaktionen nicht die Regel, aber Widerstände seien zusehends spürbar.

Zur Zeit gebe es 13 Objekte (Immobilien und Liegenschaften), die in Arbeit seien und die genutzt werden könnten. Doch bei den meisten verzögerten sich die Verfahren durch Einsprüche. "Dadurch kommen wir jetzt arg in Bedrängnis", sagt Wölfle. Er hofft, dass sein Brandbrief an die Oberbürgermeister und Bürgermeister von Anfang Juli Gehör findet. Darin bittet er, leer stehende Schulen und Turnhallen für vorübergehende Unterbringung anzubieten. Dringend gesucht seien auch leer stehende Wohnungen, die zunächst als Gemeinschaftsunterkunft genutzt, dann aber nahtlos zur Anschlussunterbringung verwendet werden können. Das würde aufwendige Umzüge ersparen und die Lage entschärfen.

So drängend und schwierig die Probleme der Unterbringung erscheinen, unlösbar sind sie nicht, ist der Landrat überzeugt. "Bei mehr als 200 000 Einwohnern sollten wir 1500-1600 neu ankommende Flüchtlinge verkraften."

Einsatz macht Mut

Mut macht ihm neben dem Einsatz "seiner" Leute im Landratsamt und der professionellen Partner vom DRK und der Diakonie vor allem die Heerscharen von Ehrenamtlichen, die sich für die ankommenden Menschen einsetzen. Er sei immer wieder erstaunt, welche Initiativen sich bilden – oft spontan, aber aus einer tiefen Mitmenschlichkeit heraus. Das fange beim Imker in Überlingen an, der Flüchtlinge in seine Kunst der Binenzucht und Honiggwinnung einweihen will, gehe über einen ehemaligen Kreisrat, der sein Elternhaus für eine Flüchtlingsfamilie anbietet, einen Tettnanger Hobbykoch, der einen schwäbisch-syrischen Kochwettbewerb veranstalten will und höre bei den etwa 60 ehrenamtlichen Dolmetschern und 40 Deutschkursen noch lange nicht auf. "Dafür bin ich sehr dankbar", sagt Wölfle.


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