Quantcast
Channel: Schwäbische: Feeds: Spaichingen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 14293

Zwischen starken Frauen und hilfsbereiten Männern

$
0
0

Friedrichshafen / sz - Am Morgen hat sie nicht gewusst, wo sie am Abend schlafen würde: Die Friedrichshafenerin Christa Mang ist auf eigene Faust durch Äthiopien gereist – fernab der üblichen Touristenrouten. Was es dafür braucht? Neugier, Offenheit, Abenteuerlust und keine Angst zu fragen.

"Das Reisen ist mein Leben", sagt Christa Mang. Zuletzt hat ihr Fernweh sie in den Osten Afrikas nach Äthiopien gezogen. Ende vergangenen Jahres hat die 69-Jährige drei Wochen dort verbracht. Zuhause in Friedrichshafen hat sie ihre Route festgelegt, gebucht hatte sie aber nur die erste Übernachtung. "Ich will das authentische Leben erfahren. Ich will in das Land eintauchen", betont die Häflerin.

Sie war bereit für diese Reise, sagt Mang von sich selbst. Körperlich und geistig müsse man topfit sein, um allein und auf eigene Faust zu reisen. Auf ihrer großen Weltkarte hat sie schon 35 außereuropäische Länder abgehakt. Vor allem Afrika, Indien und Südostasien haben es ihr angetan. Viele der Länder hat Mang schon mehrmals bereist. Auch beruflich ging es bei der Häflerin immer um das Eine: In der Reisebranche und als Autorin von zwei Reiseführern beschäftigte sie sich mit der Vielfalt der Welt.

Äthiopien stand schon länger auf ihrem Plan. Freunde und Bekannte haben die 69-Jährige gewarnt: "Sie fragten immer wieder: ‚Hast du keine Angst?‘ Und ich fragte mich, vor was ich denn Angst haben sollte." Am 23. November, im äthiopischen Frühling, startete Christa Mang in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Von Beginn an suchte sie das Gespräch mit den Einheimischen. Amharisch, die Amtssprache Äthiopiens, beherrscht die Häflerin nicht. Sie hat sich mit Englisch durchgeschlagen.

"Der erste Satz, den ich von dem netten Hotelmanager gehört habe, war: ‚Sie sind in Afrikas sicherstem Land‘", erzählt Mang. Sie hat sich stets informiert, welche Regionen des Landes sie meiden sollte. In Gefahr hat sie sich unter den Äthiopiern nie gefühlt. Und das, obwohl die Häflerin morgens oft nicht wusste, wo sie abends schlafen würde. Doch am Ende des Tages und nach vielen Gesprächen mit den Einheimischen, fand sie jedes Mal eine Bleibe. Doch sie erinnert sich, dass ihr Bus in den ersten Tagen auf dem Weg in die Stadt Arba-Minch erst bei Dämmerung ankam. Sie lief viele Hotels an, doch keines hatte für diese Nacht noch ein Zimmer frei. "Es war finster und ich wusste nicht mehr weiter", erzählt Mang. Eines der Hotels verwies sie auf ein Lokal, das auch Zimmer vermietete. Dort angekommen, führte sie der Besitzer durch eine Kneipe voller Männer auf einen dunklen Hinterhof. "Da konnte ich nicht bleiben und das habe ich dann auch gleich gesagt", erinnert sich die Häflerin. Doch dann erfuhr sie unerwartete Hilfsbereitschaft. Trotz später Stunde kümmerte sich der Äthiopier um eine Unterkunft für die 69-Jährige. "Und er wollte partout kein Geld von mir", erzählt sie.

Im Sprung zum Mannesalter

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und vor Ort gebuchten Fahrern und Führern streifte die 69-Jährige durch das Land. "Wer alleine reist, der öffnet sich gegenüber anderen", sagt sie. Durch Zufall fand sie dann auch einen Fahrer, der die Häflerin in die Dörfer im Süden Äthiopiens führte. Zwölf einheimische Stämme leben dort noch nach ihren althergebrachten Traditionen in einem Tal, das zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Sechs dieser Urvölker hat Mang besucht. Die Verständigung war schwierig, selbst ihr Fahrer beherrschte ihre Sprache nur gebrochen.

Als schönstes Erlebnis empfand Mang den Besuch beim "Hamar"-Stamm. Sie durfte als eine von wenigen ein Ritual miterleben, bei dem ein junger Mann in das Erwachsenenleben aufgenommen wird. "Da bleibt einem der Atem stehen. Die Frauen lachen und tanzen mit Schellen an den Beinen", erzählt die 69-Jährige, beeindruckt von der Stärke und Kraft der "Hamar"-Frauen. Als Mutprobe musste der junge Mann viermal über angebundene Bullen springen. Erst dann ist es ihm erlaubt zu heiraten, eine Familie zu gründen und sein eigenes Vieh zu besitzen.

Äthiopien könne man ohne weiteres alleine bereisen: "Man muss beweglich, anpassungsfähig und neugierig sein. Aber vor allem muss man staunen können", sagt die Häflerin. Wer nicht weiß, wie er ohne vorherige Planung weiter kommen soll, dem kann Christa Mang nur einen Rat geben: "Fragen, fragen, fragen. Ein Weg führt immer auf den anderen."


Viewing all articles
Browse latest Browse all 14293