Wenn am Nachbartisch im Restaurant wieder Englisch mit chinesischem Akzent gesprochen wird oder Autos mit italienischen Kennzeichen in Richtung Messe rollen, ist es wieder so weit: Eine der großen internationalen Messen in Friedrichshafen hat erneut Geschäftsleute aus aller Welt an den Bodensee gelockt. Sie verwandeln die 60000-Seelen-Kleinstadt Friedrichshafen alle paar Monate in ein Weltstädtchen. Das bleibt nicht ohne Folgen für Wirtschaft und Menschen.
Bereits die großen Konzerne ZF, Rolls Royce und Airbus sorgen im Jahresverlauf für einen soliden internationalen Geschäftsreiseverkehr in der Zeppelinstadt. Doch wann immer eine der großen internationalen Fachmessen - aktuell zum Beispiel die „Outdoor“, aber auch die Kunstoffmesse „Fakuma“, das Luftfahrtmekka „Aero“ oder die „Eurobike“ - wieder einen wahren Schwall an Besuchern aus Amerika, Asien und der ganzen Welt an den Bodensee führt, ist der Effekt der weltreisenden Geschäftsleute besonders spürbar.
Von der knapp halben Million Übernachtungen in Friedrichshafen pro Jahr gehen nach einer nicht repräsentativen Umfrage der Tourist-Information Friedrichshafen bis zu 60 Prozent auf das Konto von Messe- oder Tagungsgästen und Geschäftsreisenden – auch wenn einzelne Hoteliers von geringeren Zahlen ausgehen.
„Wir sind definitiv auf diese Leute angewiesen“, sagt auch Axel Leitsmann, Direktor des Seehotels in Friedrichshafen. Von den rund 47000 Gästen, die sein Haus pro Jahr zählt, schätzt er knapp die Hälfte als internationale Business-Klientel ein. Leitsmann sieht sie nicht nur als Umsatzbringer, sondern auch als Erzeuger einer einmaligen Atmosphäre, die Gäste ins Haus bringen würden. „Dadurch hat man eine ganz andere Stimmung. Wenn es kosmopolitisch wird, das merkt man“, so Leitsmann im SZ-Gespräch.
Bei den großen Fachmessen in der Stadt wie der Outdoor erreichen sein Haus schonmal an die 80 Prozent Auslastung mit internationalen Gästen. Deutsch wird dann geradezu zur Fremdsprache in den Fluren des Seehotels. Diesen internationalen Schmelztiegel sieht der Direktor durchaus positiv. Das Zusammentreffen so vieler Nationalitäten und ihrer Eigenarten mache auf gewisse Weise „open-minded“, so Leitsmann – „weltoffen“.
Trotzdem: Der Einzug der internationalen Konzerneliten im Monatsrhythmus hat auch Schattenseiten. „Ja, es bringt zusätzlichen Verkehr“, räumt etwa Claus Vechet, Chef der Häfler Touristinformation ein. Auch würden Geschäftsreisende selten so viel Geld in der Stadt lassen, wie etwa Tagestouristen oder Urlauber. Trotzdem: „Das tut einer Stadt gut“, fasst Vechet den Effekt der Besucher zusammen.
Guido Rueß, Inhaber des Hotel Krone in Schnetzenhausen, hat etwas weniger mit Geschäftsreisenden zu tun, wie sein Kollege im Seehotel. Grund ist wohl auch die Entfernung zur Messe. Doch auch bei ihm sind Chinesen, Amerikaner, Italiener und Co. Stammgäste. Deshalb bietet Rueß seine Speisekarte mittlerweile in zehn Sprachen an - und drückt auch Mal ein Auge zu, wenn ein japanischer Geschäftsreisender nach einem Wasserkocher verlangt, um auf dem Zimmer den mitgebrachten Reis zu kochen. Rueß berichtet, dass internationale Unternehmen bis zu 100000 Euro und mehr investieren, um an einer Fachmesse in Friedrichshafen teilzunehmen. „Wahnsinn, was die für Wege auf sich nehmen.“