Friedrichshafen / sz - Tempo 20 in der Friedrichstraße: In einem Testlauf will die Stadtverwaltung probieren, ob sich damit der Verkehr auf Friedrichhafens künftigem Prachtboulevard beruhigen lässt. Unter den Stadträten ist die Maßnahme umstritten. Auch Anwohner, Nutzer, Geschäftsleute und Interessensvertreter sind sich nicht einig, wie eine Umfrage der Schwäbischen Zeitung ergeben hat.
Die Stadt hat bisher nur vage Pläne, wie diese Straße künftig aussehen könnte. Wann das Tempo 20 kommen soll, wird derzeit noch im Gemeinderat diskutiert. Ulrich Noßwitz, von der Stadt beauftragter Verkehrsplaner, macht keinen Hehl daraus, dass Tempo 20 zu Mehrbelastungen auf anderen Straßen führen wird. "Tempo 20 ist ein Teil einer Entwicklungsmaßnahme", zu der eine umfassende Neugestaltung des Durchgangs- und Innenverkehrs gehöre, samt Verkehrsleitsystemen und Ampelschaltungen.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Umbaumaßnahmen halten viele Anlieger und Betroffene für eine falsche Maßnahme. Robert Baur, Geschäftsführer vom Hotel Buchhorner Hof, hält 20 Stundenkilometer für gar nicht realisierbar. Ein Tempomat beginne erst bei 30 Stundenkilometern. Tempo 30 sei in Ordnung, aber 20 gehe über das Ziel hinaus. Außerdem sei es unsinnig, Verkehrsströme umzubauen, bevor die B 31-neu gebaut sei. Trotzdem ist er der Meinung, dass man etwas versuchen müsse. "Wenn es dann ein Chaos wird, hat es sich nicht rentiert."
Gemütliches Stehen
Ex-Stadtrat Hans-Peter Kaldenbach – zu Fuß an dieser Straße unterwegs – lehnt Tempo 20 ab. "Hier muss der Verkehr ganz raus. So wie am Marienplatz in Ravensburg oder in Baden-Baden. Da dürfen nur Busse fahren", sagt er.
Für Berthold Gehring, Buchhändler im Gessler 1862, stellt sich die Frage, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung mehr Abgase mit sich bringt. Tempo 30 gekoppelt mit einer Uhrzeit hält er für den richtigen Weg, danach sollte die Straße umgebaut werden. "Bei Tempo 20 sind die Leute viel zu sehr mit ihrem Tacho beschäftigt, um sich vernünftig auf den Verkehr zu konzentrieren", sagt er.
"Das ist gemütliches Stehen, nichts anderes als jetzt schon", meint Chantal Kollmar. Sie arbeitet wie Michaela Waldburger an der Friedrichstraße. Waldburger hält nichts von Tempo 20. "Bei dieser Straße geht es nicht um die Geschwindigkeit, sondern um die Menge des Verkehrs. Und die wird sich mit Tempo 20 nicht verringern lassen", sagt sie, und plädiert für einen Rückbau der Straße mit definierten Radwegen.
Robert Vöhringer, Leiter der Wissenswerkstatt, beobachtet ein wildes Überqueren der Straße durch Fußgänger aller Altersstufen und hält daher eine strikte Geschwindigkeitsbegrenzung für unabdingbar. Doch auch er hält eine generelle Verkehrsberuhigung für überfällig. Hans-Jürgen Magnus, Fotograf mit Studio an der Friedrichstraße, sieht für seinen Betrieb weder Vor- noch Nachteile. Aber die Bewohner hätten es einfacher, wenn sie vom Hinterhof auf die Straße einbiegen.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Verkehrsbeschränkung hält er daher für sinnvoll. Vor wildem Aktionismus warnt hingegen Andreas Gessler. Der Inhaber von Gessler 1862 und Verleger und Herausgeber der Schwäbischen Zeitung sieht Tempo 20 kritisch. Die dreispurige Straße müsse vielmehr zurückgebaut werden. Tagsüber könne man ohnehin nicht schneller als Tempo 20 oder 30 fahren.
Er favorisiert den Umbau der Friedrichstraße zu einer Fläche mit Grünzonen, bei der es vor allem keine Bordsteine mehr gibt. Dann bereiteten die Anlieferfahrzeuge keine Probleme mehr und die abendliche Raserei auf der Straße habe ein Ende. Und wenn später noch eine direktere Anbindung an den Uferpark verwirklicht werde, erfahre die Friedrichstraße eine erhebliche Aufwertung.
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