Friedrichshafen / sz - Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Württemberg, Gisela Erler, hat bei der 30. Geburtstagsfeier des BUND Friedrichshafen im GZH für mehr Bürgerbeteiligung geworben. Gemeinderäte "fremdelten" oft damit und Bürger lägen nicht immer richtig, erlebt sie. Dennoch sollten vor öffentlichen Planungen Bürger frühzeitig von Verwaltung und Politik in geordneter Form beteiligt werden. In diesem Zusammenhang nannte es die frühere Unternehmerin, Sozialforscherin und Tochter des legendären Sozialdemokraten Fritz Erler eine "Herausforderung", Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie nicht zu vermischen.
Die "Staatsrätin mit Chauffeur", wie sie sich scherzhaft bezeichnet, kam erst spät in die Politik, wurde 2011 im Alter von 65 Jahren von Winfried Kretschmann zum Ehrenamt als Staatsrätin berufen. In ihrer bisher kurzen Amtszeit hat sie festgestellt, dass Kommunen und Land bessere Lösungen erreichen, wenn sie ihre Bürger frühzeitig in Planungen einbeziehen.
Erler kündigte die Öffnung der Bauleitplanung für Bürgerentscheide an. Auch bei "Stuttgart 21" sei der Volksentscheid erfolgreich gewesen, weil er von den Gegnern akzeptiert worden sei, was wichtig für die Demokratie war, wie sie betonte. Ein anderes Beispiel sei die Abstimmung zum Nationalpark Nordschwarzwald, inzwischen bei den zunächst ablehnenden Anwohnern "hochakzeptiert", oder das innerstädtische Bauvorhaben von Boss in Metzingen. Auch das GZH – das in diesem Jahr ebenfalls 30 Jahre alt wird – erlebte einstmals einen solchen Stimmungsumschwung.
Regierung stärkt Bürgerbeteiligung
Weil der Anspruch der Bürger auf mehr Teilhabe an der Planung von großen Infrastrukturprojekten wächst, stärkt die Landesregierung die Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen. So wurde unter Federführung von Gisela Erler die Verwaltungsvorschrift zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungs- und Zulassungsverfahren in einem Planungsverfahren erarbeitet. Dieses Beteiligungsportal gilt bundesweit bereits als vorbildlich und wird selbst in der Schweiz als sinnvoll bezeichnet. Erler regt an, bei einem 100 Millionen-Euro-Projekt etwa eine Million Euro für Bürgerbeteiligung einzusetzen. In öffentliche Planungen sollten von Anfang bis zum Projektende die Bürger gehört werden. Besonders beim Thema Verkehrsplanung habe man damit beachtliche Resultate erzielt. Wobei nicht nur die Frage gestellt werden solle, w i e etwas geplant werde, sondern auch, o b überhaupt gebaut werden müsse. "Protest ist die Hefe im Teig", sagte sie. Dabei erinnerte sie die BUND-Mitglieder ("Gewerkschafter der Natur"), nicht nur "vogelkennende Leute" zu Wort kommen zu lassen.
Bürgermeister Holger Krezer, der mit seinem Kollegen Stefan Köhler den "Runden Tisch" in der Stadt moderiert, sagte dem BUND Dank für deren bearbeitete Vielfalt von Interessen. Er plädierte für einen offenen Umgang miteinander und betonte, dass Konflikte zum Menschsein gehören. Grundlegend anders zu denken sei bereichernd. Auch er nannte die Bürgerbeteiligung ein "wichtiges Element" und rief dazu auf, einander zuzuhören und mit Unterlegenen zu reden.
Für MdL Martin Hahn (Grüne) ist ökologisches, nachhaltiges Wirtschaften eine der Zukunftsaufgaben. Es gebe "viel zu schützen und zu verlieren", mahnte er. Den BUND lobte er, auf Vieles aufmerksam gemacht zu haben, was zu einer Entwicklung in der Gesellschaft geführt habe, und rief ihn dazu auf, mutig die Zukunft mit neuen Ideen zu bereichern. Denn, bemühte er einen alten Slogan: "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt".
BUND-Vorsitzender Thorsten Philipp lud die Besucher im Anschluss ins Café Gessler 1862 ein, wo gefeiert und weiter diskutiert wurde.