Friedrichshafen / sz - Manchmal sind Leser zornig, manchmal verwundert und hin und wieder auch einfach böse. Was sie in diesen Gemütsverfassungen an die Redaktion der Schwäbischen Zeitung so schreiben, wird beim Hate-Slam am Mittwoch, 8. Juli, um 19.30 Uhr im Kiesel im Friedrichshafener Medienhaus am See verraten. Volontärin Julia Baumann, Redakteur Jürgen Widmer aus Lindau, Redakteurin Tanja Poimer aus Friedrichshafen, Mitglied der Chefredaktion Andreas Müller aus Ravensburg und Chefredakteur Hendrik Groth lesen aus den Zuschriften vor und geben so einen vielfältigen Einblick in die Seele der SZ-Leserbriefschreiber. Die beiden in der Poetry-Slam-Szene gut bekannten Moderatoren Wolfgang und Thomas Heyer führen durchs Programm und verwickeln die Redakteure in Gespräche über deren Arbeitsleben. Im Vorfeld verrät der SZ-Chefredakteur, wie viele Hassbriefe ihn tatsächlich Tag für Tag erreichen.
Herr Groth, wann haben Sie das letzte Mal Post von einem Leser erhalten?
Am Freitag. Und zwar eine außerordentlich freundliche.
Wie häufig kommt es denn vor, dass Leser sich bei Ihnen darüber beschweren, was in der Zeitung steht? Gehört das zu Ihrem Berufsalltag als Chefredakteur dazu?
Ja sicher. Das gehört dazu und das ist auch richtig so. Der Kontakt mit dem Leser ist definitiv für uns das wichtigste. Wir rufen ja auch dazu auf, uns die Meinung zu sagen, gerne auch zu geigen.
Haben Sie das Gefühl, dass sich die Leserzuschriften neuerdings in ihrem Ton verschärfen? Oder was ist eigentlich der Anlass, dass Sie sich dazu entschieden haben, einen Hate-Slam zu veranstalten?
Es sind ja nicht "die" Leser, deren Mails oder Briefe wir veröffentlichen. Aber in jüngster Zeit wird der Ton schärfer, es werden Grenzen überschritten. Drohungen, übelste Beschimpfungen sind nicht selten. Offensichtlich gelten im Internet für einige Zeitgenossen nicht die Anstandsregeln, die sie sonst im realen Alltag beherzigen. Wir bekommen häufig so absurde Mails, die wir unseren anderen Lesern nicht vorenthalten wollen. Kurzum es handelt sich um Realsatire.
Sind wirklich alle E-Mails, die Sie erreichen, Hassmails?
Die Hassmails sind Gott sei Dank seltener. Auf acht, neun normale, kritische wie positive Mails kommt dann eine unterirdische.
Hatten Sie auch schon mal ein mulmiges Gefühl, als Sie einen bestimmten Autor gelesen haben?
Wenn sie ganz geballt kommen, kann es tatsächlich mulmig werden. Wir haben ein paar Favoriten unter den Schreibern, die man tatsächlich nicht auf der Straße oder im Wald treffen möchte.
Wie gehen Sie mit solchen Zuschriften um?
Ich hoffe professionell, in dem wir beispielsweise die Mails auf Hate-Slams vortragen. Einer hat aber kürzlich so überdreht, dass wir mit der Polizei gesprochen und die ihn besucht haben.
Haben Sie schon mal einen der Leserbriefschreiber persönlich kennengelernt?
Nein. Es gibt aber Stimmen, die vermuten, dass sich diese Leute im Publikum befinden könnten.
Jetzt, da der erste Hate-Slam in Ravensburg schon ein Weilchen her ist: Was für Feedback haben Sie bekommen?
Ein bisschen Eigenwerbung gefällig? Die Gäste im Medienhaus waren begeistert und überrascht, was bei uns ankommt und was wir uns teilweise gefallen lassen. Aber wir kontern ja jetzt.
Freuen Sie sich auf den Kiesel in Friedrichshafen? Warum eigentlich: "Hate Slam on Tour"? Sie begeben sich sozusagen auf neutrales, offenes Terrain.
Wir haben auch genügend "heftige" Mails aus Friedrichshafen. Das Programm ist für den See abgeändert, aber genauso witzig wie in Ravensburg. Aber was heißt denn neutrales Terrain? Wir sind die große Zeitung in Friedrichshafen und am Bodensee zu Hause. Also wieder ein Heimspiel.
Hat es Ihnen selbst schon in den Fingern gejuckt, einem Kollegen einen bösen Brief zu schreiben?
Nicht einem Kollegen, sondern manchem Leserbriefschreiber. Ich bin ja im Ruhrgebiet geboren und da fallen mir ganz andere Reaktionen ein, wenn einer im Schutz der Anonymität die berühmte "Sau" heraus lässt.