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Flüchtlinge dürfen länger im Pfarrhaus bleiben

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Friedrichshafen / sz - Seit Februar leben 26 Flüchtlinge aus dem Kosovo, Albanien, Serbien und Ungarn im evangelischen Pfarrhaus in der Schloßstraße. Vier Familien mit insgesamt 15 Kindern im Alter zwischen zwei und 17 Jahren sowie ein Ehepaar teilen sich fünf Zimmer, eine Küche und das Bad. Auch wenn es die am schönsten gelegene Flüchtlingsunterkunft im ganzen Bodenseekreis ist, sind die Sorgen und Probleme die gleichen wie in allen anderen.

Stress und Konflikte untereinander bleiben bei den beengten Wohnverhältnissen nicht aus, zumal Nationalitäten, die in ihren Heimatländern verfeindet sind, hier zum Teil unter einem Dach leben. Die Chance, in dem gelobten Land bleiben zu können, sind gering.

Eigentlich sollte das Haus bald geräumt werden. Weil aber die Planung für Umbau und Sanierung dauert, wurde der Mietvertrag bis 30. September verlängert, wie Pfarrerin Rebekka Schek bei einem Gespräch am Montag mitteilte. Im Landratsamt ist man darüber froh, denn dort weiß man ohnehin nicht mehr, wohin mit all den Flüchtlingen. 80 bis 100 Menschen aus Syrien, Afrika, dem Balkan und anderen Brennpunkten der Welt werden jeden Monat dem Bodenseekreis zugewiesen. Derzeit leben rund 600 Personen in den Gemeinschaftsunterkünften. Rund 1000 Personen beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, teilt Robert Schwarz vom Landratsamt mit.

Die Schloßfreunde kümmern sich

Ein Segen, dass die Unterkunft an die Kirchengemeinde angebunden ist und die Betreuung durch den Helferkreis "Die Schloßfreunde" funktioniert. "Wenn Not am Mann ist, meldet sich immer jemand", sagt Pfarrerin Scheck. Zehn Ehrenamtliche kommen regelmäßig vorbei Sie kümmern sich um die Kinder, geben Deutschkurse, erledigen Fahrdienste oder gehen mit zu Behörden, Ärzten oder zu Besorgungen. Auch Studierende der Zeppelin Universität engagierten sich bei der Betreuung, im Moment sind aber alle in Praktikas. Der Alltag in dem Haus, das für eine Pfarrersfamilie gebaut ist, gestaltet sich schwierig. Für Küchennutzung gibt es einen Plan, auch Putzdienste sind geregelt. Eine Hauswirtschafterin kommt wöchentlich einmal vorbei, der Heimleiter vom Landratsamt nur wenn’s brennt. Er sei für 280 Flüchtlinge in verschiedenen Unterkünften zuständig und könne nur Feuerwehr spielen, sagt Scheck. Die sprachlichen Hürden sind hoch. Die Frauen gehen vier Mal die Woche in die VHS zum Deutschkurs. Warum die Männer daran nicht teilnehmen, sei unklar. Offenbar gibt es religiöse und kulturelle Barrieren. Jetzt werden die Männer im Haus von einem Ehrenamtlichen unterrichtet: mit Hilfe einer Tafel aus dem Baumarkt und Unterrichtsmaterialien aus dem Internet. Ansonsten sind die Erwachsenen zur Untätigkeit verdammt. "Das geht nicht, dass sie den ganzen Tag herumsitzen", sagte sich Rose Vollmer und versuchte, Arbeit zu beschaffen. Doch das sei aus Sprachgründen, aber auch wegen der Versicherung und den Vorschriften nahezu unmöglich. Nicht einmal zu Gelegenheitsarbeiten wie Rasen mähen, Garten pflegen, Umzugshilfen oder anderen einfachen Tätigkeiten könnten die Männer herangezogen werden. Dabei würden sie gerne arbeiten und seien teilweise handwerklich geschickt.

Die Hoffnung lebendig halten

Die Kinder haben es in dieser Hinsicht besser. Sie kommen raus, besuchen Kindergarten und Schule. Susanne Horn und Susanne Kaiser bieten für sie im Haus eine Malwerkstatt an. "Wir versuchen, den Kindern etwas mitzugeben und in ihnen die Hoffnung lebendig zu halten", sagt Horn. Auch wenn ihre Asylanträge keine Chance auf Erfolg haben, sollten wir gut mit den Menschen umgehen und sie, solange sie bei uns sind, achten und einbinden, sagt Horn.

"Wir haben sie nicht gerufen, aber es steht uns nicht zu, über die Größe ihrer Not zu urteilen", sagt Pfarrerin Scheck. Viele haben gesundheitliche Probleme. Ein Mann sitzt im Rollstuhl. Er muss hoch- und runtergetragen werden. Das Landratsamt verspreche seit Monaten eine geeignetere Unterkunft, sagt die Tochter, aber es ist nichts daraus geworden. Ein anderer muss zur Dialyse, ein weiterer ist herzkrank, viele sind seelisch angeschlagen und bräuchten dringend Therapie. Den Ehrenamtlichen begegnet in den Unterkünften nicht selten ein Elend, Perspektivlosigkeit und Erwartungen, die sie nicht erfüllen können. Manchmal frage sie sich, wohin das alles führt. Menschen suchen eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder und finden sie weder hier noch dort.


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