Der Premierenbeifall im voll besetzten Kiesel des k42 hat auf sich warten lassen, keiner der Zuschauer wollte zu schnell die aufgebaute Stimmung zerreißen. Denn das Stück „Und der Regen rinnt... – Erinnerungen an eine ferne Zeit“, das am Donnerstagabend dort Premiere hatte, ist eine bewegende Hommage an die Kinder, Erzieher und Künstler im KZ Theresienstadt. Zusammen mit Regisseur Olek Witt haben die 28 jungen Referendare und Lehrer des 13. Theaterpädagogischen Ausbildungskurses am Seminar Meckenbeuren – 25Frauen und drei Männer – in kurzer Zeit gemeinschaftlich den szenischen Bilderbogen erarbeitet, der den im KZ Eingesperrten ein Gesicht gab, ihre Gedanken, ihre Kraft, ihren Überlebenswillen und ihre Sehnsucht nach Freiheit greifbar werden ließ.
Persönliche Schicksale berühren weit mehr als nackte Zahlen, mögen sie noch so hoch sein. Eine Dreizehnjährige, die vom Heimweh, von der Sehnsucht nach der Mutti, von Angst- und Hoffnungsträumen erzählt, lässt die ganze Grausamkeit erfahren. Zugleich ist zu erleben, wie Erzieherinnen den Kindern mit Spielen, Malstunden, Tanz und Musik den Aufenthalt erträglicher machen, sie für eine glückliche Zeit danach vorbereiten wollten. Ebenso spürbar ist der Wille der Erwachsenen, ihre Menschenwürde zu bewahren.
Zeitzeugen geben Impuls zur Auswahl des Stoffes
Die Gespräche mit überlebenden Zeitzeugen, die an Ostern zu den Theatertagen am See gekommen waren, hatten zur Auswahl des Stoffes geführt. Als Textgrundlage dienten besonders Helga Pollak-Kinskys „Theresienstädter Tagebuch 1943-1944“ und Hannelore Brenner-Wonschicks Geschichte der „Mädchen von Zimmer 28“ im Mädchenheim L410, wo damals auch die hoffnungsvolle Kinderoper „Brundibár“ aufgeführt wurde.
Jürgen Mack, der „als Anfang vom Rückzug“ die Regie dem erfahrenen Theaterpädagogen Olek Witt überlassen hatte, war als Projektleiter auch am Bühnenbild beteiligt. Auf raffinierte Weise wurden auf einer weißen Papierbahn, die von der Rückwand bis an die Zuschauer heranreichte, Videoszenen und reale Theaterszenen miteinander verwoben, am Boden wurde gespielt, während hinten die im Nachbau des Zimmers 28 gefilmten Szenen abliefen: Mädchen, hineingepfercht in Stockbetten, wo sie einander Stütze waren. Von dort kamen Einzelne oder alle auf die Bühne, setzten um, was ein Sprecher am Rand aus dem Tagebuch von Vater Pollak las oder junge weibliche Stimmen aus dem Tagebuch seiner Tochter Helga oder aus anderen Aufzeichnungen lasen.
Das vergessene Grauen kehrt auf der Bühne zurück
Mit stimmiger Musik (Almut Stöckl und Jochen Stuppi) an Klavier, Akkordeon und Saxofon, Chören und Gesangssoli begleiteten Teilnehmerinnen die Szenen, Choreografin Citlali Huezo Sánchez hatte mit den „Kindern“ Tänze einstudiert, ausgelassene Spiele tobten über die Bühne, jäh unterbrochen durch aggressives Hundegebell oder die Nennung von Namen derer, die abtransportiert werden sollten. Da war das für kurze Zeit vergessene Grauen wieder da.
Weitere Aufführungen im Kiesel am 5., 6. und 7.7. um 20.15 Uhr, am 8. und 9.7. um 19.30 Uhr, am 10., 11. und 12.7. um 20.15 Uhr und am 13.7. um 10.30 Uhr. Karten unter 07541/288-444 oder
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