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Der Freundeskreis Polozk wird 20

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Friedrichshafen / sz - Dass etwas endlich gut wird, wenn es lange währt, mag für viele Dinge im Leben gelten – für die Städtepartnerschaft zwischen Polozk in Weißrussland und Friedrichshafen trifft dieses Zitat aber nicht wirklich zu. Denn die Verbindung der beiden Städte sei von Beginn an fruchtbar gewesen, sagt Rotraut Binder, seit jeher Vorstandsvorsitzende des Vereins.

Schon 20 Jahre gibt es den schwäbisch-weißrussischen Brückenschlag, der mehr ist als ein regelmäßiger Händedruck zwischen Bürgermeistern. Denn was anfangs, im Jahr 1995, noch eine Einbahnstraße in Form von humanitärer Hilfe für Weißrussland war, hat sich zu einem fruchtbaren Austausch in Form von Völkerverständigung. entwickelt. Stand früher die Versöhnung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Vordergrund, ist es heute die Verbundenheit auf menschlicher Ebene.

Viele Mitglieder des inzwischen rund 215 Mitglieder zählenden Freundeskreises Polozk – der überwiegende Teil davon aus Friedrichshafen – steigen regelmäßig in Zug, Flugzeug oder Wohnmobil, um die 2200 Kilometer zwischen Bodensee und der ältesten Stadt Weißrusslands abzureißen. Dass dabei viele persönlich Freundschaften entstanden sind, ist angesichts der Vergangenheit nicht selbstverständlich. So liegen bei Polozk rund 120000 Tote in Massengräbern, in Kürze will man dort eine richtige KZ-Gedenkstätte einrichten, mitfinanziert von Spenden des Freundeskreises Polozk. Neben Aktionen auf dem Ostermarkt oder gemeinsamem Plätzchen backen gehört auch das zum Freundeskreis: Die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit, die vermutlich auch nächste Woche bei der großen Jubiläumsfeier wieder thematisiert wird.

Zehn Frauen aus Polozk werden dann am Bodensee-Airport erwartet. Und diese Frauen sind nicht irgendwelche Bürgerinnen aus der Stadt im Norden Weißrusslands, sondern besonders engagierte, beispielsweise aus dem seit 1991 bestehenden Frauenrat oder aus dem Verein "Strumok", der Eltern von Kindern mit Behinderung unterstützt.

Einzig der Bürgermeister wird als männlicher Vertreter Polozk an den Bodensee kommen. Für alle, die sich fragen, warum sich eine fast ausschließlich weibliche Delegation auf die lange Reise macht, hat Rotraut Binder die passende Antwort parat: "Ohne Frauen würde da drüben nichts gehen. Die Frauen dort begegnen einem mit einer unglaublichen Herzlichkeit", sagt die ehemalige Lehrerin. "Die Frauen sind dort die Stütze der Nation, sie tragen die Hälfte des Himmels." Das heiße zwar nicht, dass Männer dort nichts tun würden, dennoch würde sich das Klischee vom weißrussischen Macho auch heute noch bestätigen. "Mit der Einladung möchten wir den Frauen auch Respekt und Achtung vor dem außerordentlichen Fleiß und der alltäglichen Arbeit entgegenbringen", sagt Hubert Weiß, der ebenfalls schon 15 Jahre im Verein ist und 13 Jahre die Kasse führt.

Vereinstreue wird beim Freundeskreis also groß geschrieben. Dennoch wird es nach dem Tod des im Februar verstorbenen und langjährigen Vorsitzenden Karl Bachmann eine Veränderung geben: Rotraut Binder wird bei den Vorstandswahlen im Juni nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung stehen. Es ist also ein aufregendes Jubiläumsjahr für den Verein: Nach den Feierlichkeiten nächste Woche gilt es, im Juni ein Vorstandsfundament für die nächsten Jahrzehnte zu finden.


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