Mit der Ausstellung einer einzigen Fotografie von 1931 hat der Kunstverein am Freitagabend seine Serie „diezeiten – More Than Fifteen Minutes“ fortgesetzt.
Eine einzige Fotografie erwartet den Besucher, der nach der Eröffnung, bei der eine Lesung literarischer Texte das Schauen begleitete, in den Kunstverein kommt. Nah sind die Bänke an das Bild herangerückt, dennoch entzieht es sich der genauen Betrachtung, will aus noch größerer Nähe angeschaut werden. Was zunächst wie eine Verletzung der angegilbten Schwarz-Weiß-Fotografie erschien, ist erst aus nächster Nähe auszumachen. „Vater/Sohn“ ist der Titel. Die zwei sitzenden Figuren waren schon von der Bank aus zu erkennen. Links, auf einem Stuhl sitzend, der Sohn mit Schnauzbart, neben ihm im Korbsessel der Vater, dessen Gesicht ein weißer Bart umrahmt. Schienen sie aus dieser Perspektive noch ohne erkenntlichen Raum im Nichts zu sitzen, erkennt man dann links schemenhaft einen Baumstamm, der helle Fleck, der wie eine Wolke über den Köpfen schwebte, wird zum Blick ins unscharfe Freie, zwischen einer Hecke, vor der die beiden sitzen, und dem Blätterdach des Kastanienbaums. Beide haben den Schatten gesucht, beide haben wettergegerbte Gesichter, die von harter Arbeit im Freien erzählen, ebenso wie die gefalteten oder übereinander gelegten Hände. Nichts ist geschönt. Steif sitzen sie da, blicken ins Weite. Das Alter ist schwer zu schätzen, die Menschen sind früh gealtert und dann stehengeblieben – nur das dunkle und das weiße Haar lassen die zwei Generationen eindeutig unterscheiden. Ihre Geschichte, ihre Lebensumstände, ihr Verhältnis zueinander mag sich jeder für sich ausmalen. So bewahrheitet sich wieder, wie spannend das Sich-Einlassen auf ein einziges Bild sein kann, das man beim Durchblättern eines Albums vielleicht nur flüchtig wahrnehmen würde.
August Sander (1876 – 1964) gilt als Klassiker der Fotografie, sein Werk hat Fotografiegeschichte geschrieben und wurde in Ausstellungen in aller Welt gewürdigt. Exemplarisch für seine Porträtkunst ist seine Fotoserie „Menschen des 20. Jahrhunderts“, das einen Querschnitt der Gesellschaft zwischen den 1890er und 1950er Jahren darstellt.
Ausstellung bis 20. Juli. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 15 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr.