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Lambert bietet großes Kino am Klavier

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Friedrichshafen / ler - Ein kleines aber feines Klavierkonzert hat am Freitagabend im Café Hz in der Charlottenstraße vor voll besetzten Reihen stattgefunden: Lambert, neoklassischer und anonymer Pianist, war zu Gast.

Über ihn selbst erfährt man wenig Konkretes: Dass er in Berlin lebt, lässt sich nachlesen und dass er vor Kurzem in Dortmund seinen Autoschlüssel eingeschlossen hat und einen Golf 4 fährt, erfahren die Zuschauer mal so nebenbei. Wie viel Märchenwelt in seinen Anekdoten versteckt ist, lässt sich allerdings schwer nachvollziehen, wenn er so mimiklos aus dem Nähkästchen plaudert.

Irgendwie glaubwürdig wirken sie ja doch und ziemlich nah scheint einem der Künstler an diesem Abend auch zu sein, obwohl er sein Gesicht nicht zeigt. Doch das meiste bleibt pure Spekulation, was dem Klangerlebnis jedoch keinen Abbruch tut. Irgendwo zwischen Yann Tiersen und Niki Reiser könnte man ihn jedenfalls klanglich ansiedeln, den Mann mit der lang behörnten Maske, der gleichzeitig gesichtslos und so gar nicht anonym am Klavier sitzt und sein Publikum bezaubert.

Während er sich zunächst einen Namen mit bekannten Werken unterschiedlichster Interpreten gemacht hat – etwa "Little Numbers" von Boy, "You're a runner" von Me and My Drummer oder auch "Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen" (Tocotronic) – spielt er an diesem besonderen Konzertabend bis auf eine Ausnahme seine ganz eigene Musik. Es sind musikalische Fragmente, Melodien, die ineinander übergehen, gespielte Anekdoten und Gemütszustände, die er mit seinem zarten und doch präzisen Anschlag dem weißen Klavier entlockt, das auf der winzigen Bühne mit Blick auf die Straße steht. Sein Mitmusiker an der Percussion, der alle Instrumente spiele, die Lambert selbst nicht spielen könne, bleibt ebenso anonym.

Am Ende singt der Publikumschor

Gerade der spezielle Veranstaltungsort mit dem Blick nach draußen auf die Straße in der Dämmerung macht das Konzert zu etwas Besonderem. Zeitweise wird das Geschehen draußen zu einem kleinen Film, aber auch mit einem leeren Blickfeld gelingt es dem Klavierkünstler cineastische Momente zu schaffen. Seine Musik erzählt ihre eigenen Geschichten und so verwundert es nicht, dass das Publikum mucksmäuschenstill lauscht, obwohl er wiederholt zum Mitsingen, Zwischenrufen und Gefühlsausbrüchen aufruft.

Die folgen ganz gesittet nach den Stücken oder in den kleinen Pausen zwischen zwei Passagen – dafür steigert sich der Applaus rasant und die etwas ungemütlichen Sitzgelegenheiten geraten ebenso schnell in Vergessenheit.

Ganz am Ende bildet sich dann noch tatsächlich ein kleiner Publi-kumschor und ein ziemlich zögerliches und doch verständliches "Die Gedanken sind frei" beendet den rundum gelungenen Abend.

Auf dieses Konzert folgen weitere künstlerische Begegnungen am noch recht frisch gebackenen neuen Ort für Kultur in Friedrichshafen. Mehr Infos zum Café Hz finden Sie unter

www.facebook.com/hz.kaffeehaus.


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