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„Es gibt viel Ungerechtigkeit auf der Welt“

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Friedrichshafen / sz - Seit 1. November arbeitetet Helene Sommer als Gewerkschaftssekretärin in der IG-Metall-Geschäftsstelle Friedrichshafen. Der Anspruch, den die 25-Jährige an sich und ihre Arbeit stellt, ist nicht gerade gering: "Ich will das Leben von Menschen verändern."

Die Bücher stehen in Reih’ und Glied auf dem Schrank, auf dem Schreibtisch sind die Klarsichtfolien und Mappen sauber gestapelt, Papiere liegen da, als seien sie mit dem Geodreieck angeordnet worden. Es sieht so aus, als ob diejenige, die dieses Büro benutzt, eine sehr strukturierte Umgebung braucht."Nun ja, ich hab’ ein bisschen aufgeräumt", sagt Helene Sommer und lacht. "Ich neige zum Chaos und zwinge mich zur Struktur. Aber bis jetzt hab’ ich auch noch nicht so viel Zeit gehabt, mein Büro vollzumüllen."

Seit knapp zweieinhalb Monaten sitzt die 25-Jährige im ersten Stock der IG-Metall-Geschäftsstelle in der Riedleparkstraße. Ins Team der vier Gewerkschaftschaftssekretäre ist sie aufgerückt, nachdem Lilo Rademacher Mitte des vergangenen Jahres in Ruhestand gegangen war. Die Schwerpunkte ihrer Aufgaben: die Öffentlichkeitsarbeit sowie die gewerkschaftliche Betreuung von Airbus Defence&Space und Ifm. Ihre ersten Eindrücke sind durchweg positiv. "Wir sind als Gewerkschaft gut verankert und wir haben hier in der Region eine extreme starke Tradition der Mitbestimmung", erklärt Helene Sommer. "Grundlegende Konflikte wie im Erzgebirge müssen wir hier nicht austragen. Es gibt aber auch kleine Betriebe, wo die Arbeitsbedingungen nicht stimmen."

Mit großer Begeisterung

Aufgewachsen ist Helene Sommer im Rhein-Main-Gebiet, bevor sie – bedingt durch einen Berufswechsels des Vaters – im Alter von zwölf Jahren von den Eltern nach Berlin "verschleppt" wurde, wie sie selber sagt. Nach dem Studium der Politikwissenschaften, das sie im Januar 2013 abschloss, bewarb sie sich sofort bei der IG Metall. Das Interesse an der Gewerkschaftsarbeit ist bei ihr schon in der Jugend gewachsen. "Ich habe mich relativ früh für Politik interessiert", verrät sie. "Ich bin mit 17 in die IG Metall eingetreten – und zwar mit großer Begeisterung." Warum? "Weil ich finde, dass es viel Ungerechtigkeit auf der Welt gibt." Und diese Ungerechtigkeit will sie bekämpfen. Ihre Motivation für den Job als Gewerkschaftssekretärin beschreibt sie mit folgendem Satz: "Ich will das Leben von Menschen verändern. Und das geht am besten, wenn man die Arbeitsbedingungen von Menschen verändert." Die Verantwortung laste zuweilen schwer auf ihren Schultern, gibt sie zu, denn als Gewerkschaftssekretärin fühle sie sich in der Pflicht, für diejenigen Menschen, die ein Prozent ihres Bruttos als Mitgliedsbeitrag bezahlen, auch etwas zu erreichen. "Das ist mir sehr wichtig. Ich will so gut wie möglich dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen gut bleiben oder werden und die Region wirtschaftlich stark bleibt."

Eine persönliche Entscheidung

Eine politische Heimat hat Helene Sommer nicht nur bei der IG Metall gefunden. Seit einigen Jahren ist sie auch Mitglied bei der SPD. Darüber spricht sie aber nicht so offensiv. "Wir bei der IG Metall sind parteipolitisch unabhängig. Dass ich bei der SPD eingetreten bin, ist eine persönliche Entscheidung, die nichts mit meinem gewerkschaftlichen Engagement zu tun hat", stellt sie klar. "Das kann ich klar trennen. Ich würde nie dazu aufrufen, SPD zu wählen. Als Gewerkschaft müssen wir politisch Stellung beziehen, aber nicht parteipolitisch."

Ihre Ausbildung zur Gewerkschaftssekretärin absolvierte Helene Sommer in der IG-Metall-Verwaltungsstelle Gaggenau. Während des einjährigen Trainee-Programms, das zu 40 Prozent aus Unterricht und zu 60 Prozent aus Praxiseinsätzen besteht, knüpfte sie erste Kontakte nach Friedrichshafen. "Das hat alles ganz gut gepasst. Außerdem wollte ich aus Berlin wegziehen", verrät sie. In Friedrichshafen sei sie übrigens sehr gut aufgenommen werden. Und die Oberschwaben seien auch gar nicht so schlimm, wie man in der Hauptstadt behaupte. "Ich lebe hier gerne. Ich fühle mich wohl. Die Leute gehen viel netter miteinander um als in Berlin."

Auf die Frage, ob es eigentlich kein Makel sei, wenn man als Gewerkschafterin bei der IG Metall nie an einer Werkbank gedient habe, gibt Helene Sommer zu, dass "ich ein paar Sachen kopfmäßig verstehen, aber gefühlsmäßig nicht ganz genau einschätzen kann". Diesen Nachteil könne sie aber durch Vorteile, die sie durch das Studium gewonnen habe, gut ausgleichen. "Ich kann zum Beispiel Texte schnell lesen, verstehen und verwerten." Sie ist überzeugt, dass es ist für die Organisation IG Metall gut sei, wenn es beide Typen von Hauptamtlichen gibt – also einerseits Studierte, andererseits solche, die in Betrieben Gewerkschaftskarriere gemacht haben


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