Friedrichshafen / sz - Der oberschwäbische Kabarettist und Schauspieler Uli Boettcher hat am Samstagabend mit seinem Programm „Unterwegs“ im rappelvollen Bahnhof Fischbach Halt gemacht. Wo er gerade noch rechtzeitig angekommen war, musste er doch zuvor noch „837“ Nachrichten von Fans öffnen, die ihre sensationell verschneiten Garageneinfahrten fotografiert und gepostet hatten, um kurz darauf ebenfalls auf diesem Weg übers Schneeschippen zu maulen.
Der leidenschaftliche Statistiker berichtete über das berufliche und urlaubende „Unterwegs“-Sein, das auf den vier Säulen stehe: Neue Kulturen kennenzulernen, Naturschauspiele zu erleben, neue Gerüche zu erkunden und Klimazonenwechsel zu erforschen. Wobei er demnächst den SZ-Sprachkundler Rudolf Waldvogel fragen will, warum es „Unter“-wegs heißt, was sich ihm – Boettcher – nicht erschließt, schließlich befinde er sich „Unterwegs“ selten in der U-Bahn.
Im Dialog vor allem mit Thomas und Melanie aus Lindau in der ersten Reihe (Thomas ist Bayern-Fan, Boettcher leidet mit dem VfB Stuttgart), fragt er den 23-Jährigen, ob Bayern-Fan zu sein (weil immer zu gewinnen) in seinen jungen Jahren für die Entwicklung hilfreich sei? Weil Boettcher überzeugt ist, die größten Abenteuer zu erleben, wenn man unterwegs ist (ganz gleich mit welchem Fortbewegungsmittel und egal ob von Niederbiegen aus nach Kuala Lumpur oder nach Heilbronn), hat er seine bescheidenen Erfahrungen in einem Buch aufgeschrieben, aus dem er vorliest.
„Wir haben hier keinen Zug“
Schon im Zug der Deutschen Bahn geht’s los mit den Erfahrungen. Versehentlich ein First-Class-Ticket erworben, landet er in der ersten Klasse unter nadelgestreiften, wichtigen, permanent und laut telefonierenden Managern auf Geschäftsreise. Ein Graus. Als Boettcher sein Publikum fragt, wer denn schon erste Klasse gefahren ist meldet sich keiner. Nicht mal bei der zweiten. „Wir haben hier keinen Zug“, ruft einer im Saal. Und da fällt der Mann auf der Bühne fast vom Glauben: Befindet er sich nicht im Bahnhof Fischbach?
Boettcher berichtet von seiner Reise mit seiner esoterischen Freundin Maja nach Tansania, und davon, welche Reisearten Beziehungen zerstören. Die Schiffsreise liegt da ganz vorne, denn 61 Prozent aller Beziehungen enden nach einer Reise an Bord, warnt er. Die Bahn hat es ihm angetan, auch wenn seine Erlebnisse mit ihr nicht immer die erfreulichsten sind. Der Mann, der in seiner Jugend lila Latzhosen getragen hat, schildert, wie er im letzten Zug (0.37 Uhr) von Stuttgart nach Herrenberg fahren muss (weil die Hotels dort billiger sind) und er sich mutig gegen die dumpfe Musik dreier nicht vertrauenserweckender Mitreisender wendet, weshalb er – nicht mit denen – in Herrenberg aussteigt, sondern wieder nach Stuttgart zurückfährt. Schließlich ist der Weg das Ziel.
Nach knapp 17 Stunden am Ziel
Uli Boettcher ist in Berlin mit 40000 anderen Marathon gelaufen. Zur Vorbereitung hatte er sich das Training gespart und auf seine starke Psyche gesetzt, was freilich am Ende nicht aufgeht. Schon bei Kilometer fünf quietschen die Knie, bei Kilometer neun gibt der linke Lungenflügel den Geist auf und bei 132 wird er vom Feld überholt. Kurz vor dem Zieleinlauf durchs Brandenburger Tor springt er den Maltesern von der Bahre. Nach 16 Stunden und 43 Minuten ist er am Ziel, so stehts auf dem Zettel, den er nach dem Aufenthalt im Sauerstoffzelt doch noch erhält. Diese Zeit liest auch seine Frau, als die ihn am oberschwäbischen Bahnsteig abholt.
Das kann nur noch sein Aufenthalt im „Bayern-Block“ im Daimler-Stadion toppen. Er, der VfB-Fan, im eigenen Stadion, endlich einmal bei den Siegern …