Friedrichshafen / sz - Im wirklichen Leben sind die Musiker Buchhändlerinnen, Studenten, Ärzte oder Rentner. An diesem Tag aber stehen für sie Weber, Beethoven und Brahms im Vordergrund. Das Sinfonieorchester Friedrichshafen probt im Schloß Hersfeld für sein großes Konzert am Sonntag, 21. Dezember, um 19.30 Uhr im Graf-Zeppelin-Haus.
So richtig finster und drohend klingt es nicht, wenn die Streicher Webers Freischütz-Ouvertüre hören lassen. Dirigent Joachim Trost bricht ab: „Das ist die Wolfsschlucht, das ist dämonisch, das muss knackiger, dynamischer werden. So wie Sie das spielen, ist das ein Schlüchtle.“ Der unruhige Puls auf den tiefen Saiten wird dunkler, schwillt an, nimmt ab, immer noch einmal, bis Trost zufrieden ruft: „Gut, jetzt wird’s dämonsch, jetzt sind wir in der Teufelsschlucht.“
Sie haben sich viel vorgenommen: In Webers Freischütz-Ouvertüre müssen sie nahtlos Stimmungen treffen: duster für das schauerliche Spiel des Teufels in der Wolfsschlucht, weicher Hornklang für die Waldidylle und schwelgerische Melodien für die verliebte Agathe. Das Violinkonzert von Brahms will mit teils samtigem, teils großem Ton gespielt sein und versteckt hinter eingängigen Melodien komplizierte harmonische Figuren. Beethovens siebte Sinfonie schließlich fordert den Musikern alles ab: Sie müssen vertrackte Rhythmen präzise übereinanderlegen, schnelle Läufe bewältigen, Melodien mit einem Bogenhaar hinhauchen und dann wieder im Fortissimo losdonnern, daß es – nicht – kracht.
„Ganz schön schnell“, stöhnt dann auch mal eine zweite Geige. „Ich merke es schon in beiden Händen“, sagt eine andere in der Pause. Dann sind sie wieder ganz dabei. „Ich musiziere einfach gern und bei so einem Wochenende verbessert sich das Spiel sehr bei Technik und Interpretation“, sagt die pensionierte Lehrerin Brigitte Maichel. Designerin Frauke Beck ergänzt: „Im Zusammenspiel lernen wir am meisten voneinander. Hier können wir auch musikalisch gestalten. Es bleibt mehr hängen als wenn wir jede Woche neu anfangen.“ Für Marketingprofessor Michael Streich kommt hinzu: „Zu den Proben fahre ich sonst von Wolfegg aus ungefähr so lange wie ich probe – da lohnt sich das richtig. Und gerade deswegen macht es so viel Spaß.“
„Den Kampf werden wir gewinnen“
Für den Dirigenten ist das Besondere an diesem Wochenende, daß er mit seinen Musikern kontinuierlich arbeiten kann. „Die Werke wachsen dann schneller, weil das Arbeiten ein anderes ist. Hier kann man sich seiner Spielfreude ganz hingeben, ist nicht abgelenkt durch die tägliche Arbeit und Routine,“ sagt Joachim Trost „Wichtig ist auch die zwischenmenschliche Begegnung beim gemeinsamen Essen, in den Pausen und beim Hock am Freitagabend.“ Die Blasinstrumente des Sinfonieorchesters spielen Profis. Sie stießen erst später dazu.
„Sie merken, daß Sie noch kämpfen. Aber den Kampf werden wir gewinnen,“ ermutigt Trost seine Musiker. Bis zum vierten Advent haben sie noch Zeit.