Friedrichshafen / sz - Arbeit und Einkommen schützen heute nicht mehr vor Armut und Obdachlosigkeit. Diese bittere Erfahrung muss eine 45 Jahre alte Frau aus Friedrichshafen machen. Weil sie keine bezahlbare Wohnung findet, lebt sie seit März diesen Jahres auf der Straße. Nachts schläft sie meist in ihrem Auto, das ihr aus besseren Tagen geblieben ist. Zuweilen kommt sie auch bei Freunden unter.
Luzia K. sitzt bei Bernd Strohmaier. Sie kommt nicht oft beim Stadtdiakon vorbei. Das Geld, das sie mit ihrem Job als Kurierfahrerin verdient, reicht ihr zum Leben. „Ich komme über die Runden“, sagt sie und lächelt. Als ein Obdachloser anklopft – was während unseres etwa einstündigen Gesprächs im Haus der kirchlichen Dienste drei Mal passiert – , ist sie die erste, die zehn Euro zückt. „Den kenne ich, der braucht etwas zum Essen, na ja, wahrscheinlich kauft er sich eine Flasche Bier dazu“, sagt die Frau. Sie hat ihn vorher in der Herberge getroffen, wo sie zu Mittag isst, Wäsche wäscht und duscht.
Zurücklehnen ist nicht meine Art
Zu Strohmaier kommt sie heute, weil sie mit der Wohnungssuche nicht weiterkommt, und im Auto nachts wird es langsam bitter kalt - selbst mit mehreren Decken. Mit ihrem Anliegen ist Luzia K. leider nicht allein. „Ich könnte hier eine Wohnungsvermittlung aufmachen“, sagt Strohmaier. Doch müssten Wohnungen, nach denen seine Klienten fragen, erst gebaut werden.
Der Markt für Leute mit kleinem Einkommen ist leer gefegt. Er bietet Luzia K. an, zumindest die Kaution zu übernehmen, sollte sie diese nicht aufbringen. Im Gegensatz zu den Vielen, die ihren Alltag nicht in Griff bekommen, die resigniert sind und sich aufgegeben haben, ist Luzia K. eine Frau, die für sich einsteht, kämpft und dabei die Kraft hat, anderen zu helfen. „Ich war auch arbeitslos, deprimiert und hätte mich betrinken können, so wie es viele in einer solchen Lage tun“, sagt die 45-Jährige. „Aber Alkohol löst keine Probleme, sondern Ehen“. Dieses Drama hat die Mutter dreier Kinder mit ihrem Ex hinter sich. „Jeder muss an sich arbeiten, zurücklehnen ist nicht meine Art“, sagt Luzia K.
Sie weiß, wovon sie spricht. Aufgewachsen in der Eintrachtstraße, wo die Stadt seit vielen Jahren Notwohnungen besitzt, werde sie nie mehr in eine solche ziehen. „Lieber lebe ich auf der Straße.“ Die Zustände seien dort himmelschreiend. Das Amt für Bürgerservice und Umwelt (BSU) habe sie dort unterbringen wollen, nachdem sie eine andere städtische Notwohnung im Wachirweg verlassen musste. Dort sei es zwar auch nicht gut gewesen zu wohnen, aber immer noch besser. Die Wohnung sei aber laut Vorschrift für sie zu groß gewesen. Deshalb habe sie raus müssen. „Warum werfen sie mich raus und nehmen dann wieder eine Frau mit Kind rein“, fragt Luzia K. Ihr Sohn sei zwar bei einer Tagesmutter untergebracht. Nachmittags und am Wochenende dürfe sie ihn aber zu sich nehmen.
Nun steht sie wieder auf eigenen Beinen und das BSU sei nicht mehr zuständig. Doch ihr Verdienst sei derart gering, dass sie sich auf dem freien Markt nichts leisten könne. Überall habe sie es probiert: Kreisbau, städtische Wohnbau, Fränkel, Zeppelin Wohlfahrt – immer Fehlanzeige. Wenn mal eine günstige Wohnung angeboten werde, stünden 20 bis 30 Leute vor der Tür. „Dann habe ich schlechte Karten“, sagt Luzia K. „Es tut weh, wenn ich abends die beleuchteten Fenster sehe, Familien, die beim Abendessen sitzen und ich mit meinem Auto mal wieder einen Platz suche, wo ich ungestört stehen bleiben kann“, sagt sie.
Sozial ist ein Fremdwort
Dass sie für einen Vermieter nicht die erste Wahl ist, kann sie sogar nachvollziehen. Ihre Lebensgeschichte hat Spuren hinterlassen. Ihre Zähne hätten eine Generalsanierung nötig, und ihre Statur lässt erahnen, dass sie sich mehr auflädt als nötig. „Und warum sollte ein Vermieter für eine Wohnung 450 Euro verlangen, wenn er auf dem Markt 900 Euro bekommen kann“, fragt Luzia K. Sozial scheint nicht nur in der freien bundesdeutschen Marktwirtschaft, sondern auch auch auf dem Wohnungssektor ein Fremdwort geworden zu sein.
Das Spendenkonto von „Hälfer helfen“ ist in der zweiten Adventwoche auf 32 872 Euro gewachsen. Herzlichen Dank an alle Spender.
Das Geld, das Sie für Häfler helfen spenden, kommt ohne Abzug von Verwaltungskosten dem katholischen Stadtdiakonat und der Schwangerenberatung der evangelischen Diakonie zugute. Spenden können Sie unter dem Stichwort „Häfler helfen“ auf das Konto der Katholischen Gesamtkirchenpflege IBAN:
DE52 6905 0001 0020 1138 90
bei der Sparkasse Bodensee. Wenn Sie auf der Überweisung Ihre Anschrift vermerken, bekommen Sie eine Spendenbestätigung.
Wer Luzia K. bei ihrer Wohnungssuche weiterhelfen kann, melde sich per Mail unter redaktion.friedrichshafen@schwaebische.de