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„Da stirbt ein Stück deiner Vergangenheit“

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Friedrichshafen / sz - Terassentüre aufgebrochen, Fenster eingeschlagen, Schloss geknackt – die Polizei muss immer mehr Wohnungseinbrüche aufnehmen. In Friedrichshafen hat sich die Zahl dieser Delikte von 2012 bis heute mehr als verdoppelt. Vor einigen Tagen wurde eine junge Häflerin Opfer eines solchen Einbruchs. Sie erzählt ihre Geschichte.

Es ist Donnerstagabend und die junge Frau aus Friedrichshafen, deren Namen wir an dieser Stelle aus verständlichen Gründen nicht nennen, freut sich schon auf ihren Feierabend und den Besuch bei einem Freund, der Geburtstag hat. Eigentlich wollte sie um 19 Uhr in Kressbronn sein. Nachdem eine Computerwartung im Büro dann aber länger dauerte, als ursprünglich geplant, beeilt sie sich, um kurz vor 18.30 Uhr daheim anzukommen. Sie wohnt noch bei ihren Eltern. Mit ihrer Mutter hatte sie am Nachmittag telefoniert, die hatte kurz danach das Haus verlassen. Der Vater arbeitet zu dem Zeitpunkt noch im Büro.

Als die Häflerin auf den Hof fährt und ihr Auto abstellt, ist alles ruhig und dunkel. Sie beeilt sich, überlegt auf dem Weg nach oben in den ersten Stock schon mal, was sie anzieht zu der kleinen Party und macht erst mal gar kein Licht an. Sie kennt sich schließlich aus, läuft sicher bis zu ihrem Zimmer, wundert sich dort oben im Flur aber, dass vor der Türe ihres Bruders ein goldener Ring der Mutter auf dem Boden liegt. Sie hebt ihn auf und macht in ihrem Zimmer Licht an.

Noch immer denkt sie sich nichts Böses. „Ich war zwar irritiert, dass einige Schubladen halb offen waren, auch sah mein Regal irgendwie anders aus“, erzählt sie. In dem Moment aber glaubt sie, dass ihre Mutter vielleicht etwas gesucht haben könnte. Erst als die dann einige Minuten später zur Haustüre hereinkommt und unten im Haus Licht anschaltet, wird klar, was an diesem Tag passiert ist.

„Warum hast Du denn die Terassentüre aufgemacht?“, ruft die Mutter. Noch bevor sie das letzte Wort richtig ausgesprochen hat, ahnt sie, dass da etwas nicht stimmt: „Bei uns ist eingebrochen worden.“ Die Erkenntnis der Mutter, die unten im Haus vor aufgezogenen Schubläden und achtlos aufs Sofa geworfenen Lederjacken steht, löst auch bei der jungen Frau in ihrem Zimmer ein Stockwerk höher einen Adrenalinstoß aus. Die beiden Frauen verständigen sofort den Vater. Der macht sich auf den Weg nach Hause, nachdem er noch vom Büro aus die Polizei verständigt hatte.

„Danach lief alles wie im Film ab“, erinnert sich die junge Frau. Die drei Familienmitglieder seien einzeln von den Beamten, die gleich zum Tatort kamen, vernommen worden. Gegen 21 Uhr treffen auch die Kollegen der Kripo ein, die Spurensicherung kommt und beginnt mit der Arbeit. Fußabdrücke und Fingerabdrücke, die der Täter in den Räumen hinterlassen hatte, werden peinlich genau aufgenommen. Überall hätten kleine Markierungen gestanden, „wie man das aus dem Fernsehen kennt“. Der Täter war offenbar durch den Nachbargarten gekommen und hatte Erde von dort an den Schuhen hineingetragen. Die Profile der Schuhe hat die Polizei damit schon mal.

Der Abend und die kommende Nacht sind gelaufen. An die Party in Kressbronn verschwendet die Häflerin keinen Gedanken mehr. Für sie und ihre Eltern beginnt jetzt eine Arbeit, die gar nicht so einfach ist.

Kopfarbeit – was ist alles weg?

Die Familie muss jetzt für die Versicherung auflisten, was alles weggekommen ist. „Es ist total schwer, dabei nichts zu vergessen. Vor allem bei Dingen, die man nicht so häufig nutzte“, sagt die junge Frau. Sie erzählt über materielle Werte, über Schmuck, der ihr und ihrer Mutter beinahe komplett geklaut wurde.

Und sie erinnert sich an ganz besondere Stücke, ganz egal, ob die wertvoll waren oder nicht. „Da verlierst du plötzlich etwas aus deinem Leben. Da stirbt ein Stück deiner Vergangenheit.“ Tränen laufen über ihre Wangen, während sie von dem kleinen Anhänger erzählt, den sie als Kind von ihrer Paten-Tante geschenkt bekam und der ihr Schutzengel sein sollte. Oder von ihrem neuen Handy, bei dem sie nur noch auf die SIM-Karte wartete.

Auch ihr Laptop ist weg und mit ihm auch alle Bilder. Alle Erinnerungen und vor allem viele, ganz persönliche Werte. Sie wollte ein Kochbuch für ihren Bruder zu Weihnachten machen. Der wohnt zwar nicht mehr zuhause, hat aber noch sein Zimmer hier und ist oft auch zu Besuch. Immer wenn ihre Mutter in den vergangenen zwei Jahren gekocht habe, sei sie mit Stift, Papier und Kamera dabei gewesen und habe aus den Bildern und den Texten ein ganz persönliches Kochbuch schreiben wollen. Zwar sind alle Daten auf ihrem Laptop passwortgeschützt, der Dieb kann also nichts damit anfangen. „Aber das will er wahrscheinlich auch gar nicht. Der will das Gerät verkaufen, da sind ihm meine Dateien doch egal“, sagt die Häflerin.

Über die materiellen Werte redet sie jetzt nicht mehr. Ihr gehen andere Dinge durch den Kopf. Wenn sie im Badezimmer steht, fragt sie sich, ob der Täter auch in diesen Spiegel geschaut habe. Ob er auf ihrem Bett gesessen habe oder was er hier in der Wohnung, die immer ihr sicheres Zuhause war, getan habe. Was hat er angefasst, was hat er alles von ihr gesehen, was niemanden etwas angeht? „Wenn ich nach Hause kam, habe ich immer ein Gefühl großer Sicherheit gehabt. Geborgenheit. Das ist jetzt anders“, sagt sie und wischt sich Tränen weg. Vom Verstand her verstehe sie alles, sobald es aber dunkel werde, habe sie Angst. Angst, einzuschlafen und Angst alleine zu sein.

In der Nachbarschaft werden jetzt bei Dunkelheit die Rolläden herabgelassen. Die Polizei habe erzählt, dass sieben von zehn Einbruchsopfer danach umziehen würden. Die junge Frau aus Friedrichshafen hofft, dass mit der Zeit wieder alles so wird wie früher – ohne Angst zuhause. Die Polizei hat angeboten, psychologische Hilfe zu vermitteln. Vielleicht wird sie das noch wahrnehmen.

Das rät die Polizei

Zwar lassen sich Wohnungseinbrüche nicht gänzlich verhindern, folgende Tipps der Polizei sollen jedoch zeigen, wie man sich und sein Eigentum gegen ungebetene Besucher schützen kann.

Halten Sie die Hauseingangstür auch tagsüber geschlossen.

Achten Sie bewusst auf fremde Personen im Haus oder auf dem Grundstück und sprechen Sie diese Personen gegebenenfalls an.

Schließen Sie Ihre Wohnungseingangstür immer zweimal ab und lassen Sie die Tür nicht nur „ins Schloss fallen“.

Verstecken Sie Ihren Haus- und Wohnungsschlüssel niemals außerhalb der Wohnung.

Verschließen Sie Ihre Fenster und Balkontüren auch bei kurzer Abwesenheit. Einbrecher öffnen gekippte Fenster und Balkontüren besonders schnell.

Sorgen Sie dafür, dass Ihre Wohnung auch bei längerer Abwesenheit einen bewohnten Eindruck vermittelt.

Tauschen Sie mit Ihren Nachbarn wichtige Telefonnummern aus, unter denen Sie im Notfall erreichbar sind.

Bieten Sie Senioren aus Ihrer Nachbarschaft an, bei Ihnen anzurufen, wenn Fremde in deren Wohnung wollen.

Informieren Sie die Polizei, wenn Ihnen etwas verdächtig vorkommt. Versuchen Sie niemals, Einbrecher festzuhalten!

Lassen Sie fremde Personen nicht in Ihre Wohnung.

Hilfe bietet auch die polizeiliche Beratungsstelle.

www.polizei-beratung.de


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