Friedrichshafen / sz - Normalerweise treffen sich die Häfler Muslime in den Räumlichkeiten der Mehmet-Akif-Moschee zum Tee trinken oder Religionsunterricht. Ein vollkommen neues Bild eröffnete sich den Besuchern am vergangenen Freitagnachmittag. Zum ersten Mal wurde dort Blut gespendet.
Auf langen Tischen angerichtet gab es leckeres Essen, viel Apfelsaft und Wasser. Gegen 15 Uhr waren es vor allem junge männliche Muslime, die das Angebot dieser Stärkung gerne annahmen, bevor es in den Nebenraum ging. Dieser war kaum wieder zu erkennen. Auf einem Tisch stapelten sich medizinische Utensilien, hinter diesem saßen zwei von sechs anwesenden DRK-Mitglieder.
Nach der Anmeldung und dem Ausfüllen des Fragebogens wurden den Spendern hier der Blutdruck, der Puls, die Körpertemperatur und der Hämoglobinwert gemessen. Dann ging es weiter zur nächsten Station, wo drei Ärzte die potenziellen Blutspender in Empfang nahmen. Um mögliche Ausschlusskriterien für die Blutspende frühzeitig feststellen zu können, ließ sich der behandelnde Arzt von den Erstspendern die bisherige Krankengeschichte erläutern. Nun stand dem Aderlass nichts mehr im Weg.
Für viele der Blutspender war dies eine ganz neue Erfahrung, denn es handelte sich um die aller erste Blutspendeaktion in einer Moschee, die speziell für türkische Mitbürger ausgerichtet wurde.
Geboren wurde diese Idee im Netzwerk „Zum Kennenlernen ist man nie zu alt“, das im Jahr 2009 gegründet worden war. Mit verschiedenen Aktionen und Angeboten wird hierbei zum gegenseitigen Kennenlernen und Austausch zwischen Einheimischen und türkischen Mitbürgern eingeladen, um die Toleranz und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und voneinander lernen zu können, wie Karl-Heinz Jaekel, Leiter der Abteilung Sozialarbeit des DRK-Kreisverbands, erklärte.
„Wir sind Teil dieser Gesellschaft und möchten damit soziale Verantwortung übernehmen. Der Islam wird oft mit grausamen Blutvergießen in Verbindung gebracht. Wir wollen zeigen, dass wir dagegen treten. Das ist ein wichtiger Schritt zur Integration“, sagte die Dialogbeauftragte Emel Coban.
Warum eine Teilnahme der Häfler Muslime an den sonstigen, öffentlichen Blutspendeterminen bisher problematisch war, läge laut Coban insbesondere an der Hemmschwelle Bürokratie. So stelle das Ausfüllen der Formulare oft eine große Hürde dar, wenn man der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist.
Alfred Kneer vom DRK-Blutspendedienst zeigte sich optimistisch und sagte: „Die erste Hürde ist meist die schwerste. Künftig werden sie hoffentlich auch zu den öffentlichen Blutspendeaktionen kommen“.
Jan Hinrichs vom DRK-Ortsverein Friedrichshafen hofft auf das Abbauen der Hemmschwellen. So solle bereits beim nächsten Termin in Ailingen auch die Teilnahme der türkischen Frauen in abgeschirmten Breichen möglich sein.
Kaan Keskin war bereits mitten im Blutabnahmevorgang. Er lässt den Aderlass bereits zum zweiten Mal gelassen über sich ergehen. Für ihn ist das eine Selbstverständlichkeit. „Wenn ich schon die Möglichkeit habe, anderen Menschen helfen zu können, dann tu ich das natürlich. Diese Gelegenheit sollte man auf jeden Fall wahrnehmen“, sagte der Zwanzigjährige.
Jörg Kuon, DRK-Geschäftsführer im Bodenseekreis, zeigte sich erfreut über den Andrang und sagte: „Wenn wir 70 und mehr Blutspenden am Ende des Tages verzeichnen können, dann ist das ein sehr großer Erfolg“. Dem zufolge dürfte seine Freude groß gewesen sein, denn mit 126 Blutspendern ist das Ergebnis fast doppelt so hoch wie erwartet. Davon waren 99 Erstspender.