Friedrichshafen / sz - Wer bauen möchte, sollte nicht nur mehr als 100000 Seiten an Normen und Verordnungen kennen, sondern auch ordentlich Geld haben.
Denn um rund 40 Prozent sind die Kosten für den Neubau von Mehrfamilienhäusern in Deutschland seit dem Jahr 2000 gestiegen, wie eine Studie im Auftrag eines Bündnisses aus Baubranche und Mieterbund ergab. Auch auf Friedrichshafen und Umgebung trifft dieser Trend zu.
"Früher konnte ein Architekt fast alles bewältigen. Heute braucht es zusätzlich diverse Ingenieure, um ein Mehrfamilienhaus zu planen und zu bauen", erläutert Bernhard Küchle, Geschäftsführer der Kreisbaugenossenschaft Bodenseekreis. Baupreise und staatliche Vorgaben verteuerten den Wohnungsbau.
Egal ob im Baugebiet Wiggenhausen, an der Allmandstraße oder in Oberteuringen – an vielen Orten in der Region sind sie derzeit zu sehen: die in die Höhe ragenden Baukräne. Sie verwirklichen für viele den Traum des Eigenheims oder den der neuen Wohnung. Was früher durchaus finanziell machbar war, wird heute immer mehr zur Herausforderung. Nicht nur, weil seit dem Jahr 2000 die Preise beispielsweise für Beton-, Maurer- und und Klempnerarbeiten um 27 Prozent gestiegen sind. Auch Bund, Länder und Kommunen verdienen am Lebenstraum inzwischen kräftig mit. Fast ein Viertel der Kostensteigerungen geht auf den Staat zurück. Zu diesem Schluss kommt die Studie "Kostentreiber Wohnungsbau" der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen.
Energetische Bauten kosten
Das liege an den staatlichen Vorschriften zu Energieeffizienz, Brand- sowie Schallschutz, Schnee-, Sturm- und Erdbebensicherheit, wie Küchle erläutert. "Gerade beim Thema Energieeffizienz muss man sich fragen, wann die Grenze zur Wirtschaftlichkeit überschritten ist", warnt Küchle. Denn ab einem bestimmten Grad der Dämmung werde das Kosten-Nutzen-Verhältnis immer geringer.
Bau und Planung sind aber nicht die einzigen Kostentreiber. Wer in Baden-Württemberg ein Grundstück kauft, muss seit 2011 eine Grunderwerbssteuer von fünf Prozent zahlen. Grün-Rot hatte den Steuersatz 2011 von 3,5 Prozent um 1,5 Prozentpunkte angehoben. Oder anders ausgedrückt: 43 Prozent mehr müssen Käufer an Grunderwerbssteuer zahlen. Für ein Grundstück mit einem Kaufpreis von 150000 Euro macht das Mehrkosten in Höhe von 2250 Euro aus. "Hier sehen wir Handlungsbedarf, da insbesondere Eigennutzer, die sich mit einer eigenen Immobilie eine Alterssicherung ermöglichen wollen, vom Gesetzgeber bestraft werden", sagt Dominik Ostermann, Juniorchef von IBG Ostermann.
Grunderwerbssteuer gestiegen
Doch bevor die Grunderwerbssteuer für Häuslebauer oder Baufirmen fällig wird, muss erst ein Grundstück her. Im Vergleich zu 2000 wird auch in diesem Bereich kräftiger zugelangt: Laut Stadt legte der Indexwert von 350 Punkten (2000) auf 377 Punkte (2015) zu. Konkret heißt das: Grundstücke haben sich im Schnitt um acht Prozent seit der Jahrtausendwende verteuert. Mit Hilfe des Baulandpreisindexes wird die Preisentwicklung für Grundstücke errechnet.
Die Stadt versucht mit dem Bodenrichtwert, einem Durchschnittspreis für Grundstücke in einem Areal, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die Stadt vermarkte ihre Baugrundstücke vor allem in Neubaugebieten grundsätzlich zum Bodenrichtwert, erklärt Stadtsprecherin Monika Blank. Das wirke dämpfend auf die Entwicklung der Preise für Bauland. Gleichzeitig ist die Stadt aber auch dafür zuständig, Bauland auszuweisen – und da hapert es laut Küchle: "Bei der Grundstücksfrage ist Friedrichshafen nicht gerade üppig aufgestellt." Große Nachfrage, wenig Angebot – das lasse die Preise steigen, sagt Küchle.
Damit der Traum vom Eigenheim wegen steigender Kosten nicht platzt, könnte der Staat die Vorgaben lockern. Davon hält Ostermann aber nichts: "Die höheren Anforderungen erhöhen die Sicherheit sowie den Wohnkomfort und haben somit ihre Berechtigung." Auch Küchle sieht das so. Er empfiehlt, künftig mehr auf Standardisierung zu setzen: "Beispielsweise durch Standards im Fassadenbau könnten Handwerkerkosten eingespart werden, weil dann nicht jedes Haus eine Einzelanfertigung wäre."
Auch Mieter betroffen
Die gestiegenen Kosten für Neubauten treffen nicht nur Häuslebauer oder Eigentumswohnungskäufer. "Auch Mieter bekommen diese Entwicklung zu spüren", sagt Chris Liebermann, stellvertretender Vorsitzender des Mietervereins Oberschwaben. Zu diesem gehört auch Friedrichshafen. Die Miete für eine 100 Quadratmeter große Neubauwohnung sei seit dem Jahr 2006 um acht Prozent gestiegen. Liebermann sagt: "Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert. Und Neubauten sind bei der Erstvermietung deutlich teurer als andere Wohnungen."