Friedrichshafen / sz - Die jüngsten Überschwemmungen haben es gezeigt: Hochwasser kann jede Kommune treffen. Umso wichtiger ist ein verlässlicher Hochwasserschutz. Friedrichshafen ist für den Extremfall allerdings nicht vorbereitet.
"Es gibt im gesamten Stadtgebiet keinen ausreichenden Hochwasserschutz, der vor einem hundertjährlichen Hochwasser der Rotach schützen würde", sagt Stadtsprecherin Monika Blank auf Nachfrage.
Szenario droht
Südlich der Flugplatzstraße kommt es zu Überflutungen, Anwohner der Ehlers- beziehungsweise der Löwentaler Straße haben Wasser und Schlamm im Keller, das Berufsschulzentrum steht in einem großen See, Ittenhausen sowie Bunkhofen sind nahezu komplett überflutet – bei einem hundertjährlichen Hochwasser der Rotach könnte dieses Szenario drohen.
So beschreibt es zumindest das baden-württembergische Umweltministerium in einem Bericht aus dem Jahr 2014. Die Hochwassergefahrenkarte (HWGK) – ein Gemeinschaftsprojekt des Landes und der Kommunen – gibt einen Überblick darüber, wo sich das Wasser ausbreiten könnte.
Bürger fürchten um Rotach-Allee
An der Rotach gibt es seit den 80er-Jahren eigentlich einen Hochwasserschutz. Doch dieser reicht mit einer maximalen Durchflussgeschwindigkeit in Höhe von 88 Kubikmeter pro Sekunde bei Weitem nicht aus. Es müssten laut Stadt 117 Kubikmeter pro Sekunde sein. "Dies beruht auf dem Klimawandel und einem künftigen Ausbau der Rotach in Bunkhofen", sagt Blank.
Deshalb will die Stadt den Hochwasserschutz entlang der Rotach in drei Abschnitten verbessern, beginnend in Bunkhofen bis runter zum Bodensee. Allerdings sorgt das Projekt für Ärger. Einige Bürger fürchten um die Rotach-Allee, die dem Hochwasserschutz zum Opfer fallen könnte. Ein Termin für den Baustart steht laut Verwaltung bislang noch nicht fest.
Geringe Vorlaufzeiten bis Hochwasser kommt
Mobile Hochwasserschutzwände wie entlang der Elbe in Dresden sind in Friedrichshafen kein Thema. "Die eignen sich nur für größere Flüsse mit längerer Vorlaufzeit, bis der Scheitel des Hochwassers kommt", erklärt Klaus Ruff. Er leitet das Amt für Wasser- und Bodenschutz des Bodenseekreises. Bei der Rotach seien die Vorlaufzeiten mit etwa einem halben Tag zu kurz.
Doch nicht nur für die Rotach wurde berechnet, an welchen Stellen sie bei einem hundertjährlichen Hochwasser zur Gefahr werden könnte. Sollte die Brunnisach überlaufen, könnten große Teile von Fischbach überflutet werden. Entlang des Lipbachs könnte es in Kluftern am Kreuzäckerring und in Lipbach zu Überschwemmungen kommen.
"Generell kann jeder Fluss im Stadtgebiet zum Problem werden, da beispielsweise durch Verstopfungen aus einem kleinen Bach ein reißender Fluss werden kann", sagt die Stadtsprecherin. Sie verweist auf die Beispiele in Jungingen im Killertal (2008) und auf Braunsbach im Landkreis Schwäbisch Hall (2016).
Starkregen für Kommunen ein Problem
Noch weitaus unberechenbarer sind Überschwemmungen, die Unwetter mit heftigem Regen verursachen. "Da sich die Erde erwärmt, kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen", erklärt Ruff. Häufigere Starkregenereignisse mit Überflutungen sind die Folge. Er sagt: "Das ist ein Problem für alle Kommunen, ganz unabhängig davon, ob ein Fluss durch den Ort fließt."
Abwasserkanäle größer bauen – das wäre theoretisch gesehen eine Lösung. Praktisch sieht das allerdings anders aus. Denn ein Kanalnetz auf extreme Regenfälle auszulegen, wäre schlichtweg zu teuer. "Die zu verlegenden Kanaldimensionen wären riesig, die Kosten über die Abwassergebühren nicht zu finanzieren", erklärt Blank. Untätig ist die Stadt aber nicht: Seit den 50er-Jahren wird das Kanalnetz ständig weiterentwickelt.
Bodensee birgt geringeres Risiko
Heute sind die Rohre unter der Erde auf ein zweijähriges Regenereignis ausgelegt, früher galt ein einjähriges Regenereignis als Standard. Laut Ruff gibt es noch weitere Möglichkeiten: Höhere Bordsteine, Gräben vor Hängen, die herunterstürzendes Wasser auffangen, oder verschlossene Kanaldeckel. Diese Ansätze sind allerdings noch relativ neu. Erst im Herbst will das Land sein Konzept zum Starkregen-Niederschlag-Management der Hochwasserpartnerschaft Schussen-Argen-Aitrach vorstellen. Zu dieser gehört auch die Stadt Friedrichshafen.
Der Bodensee hat übrigens laut Stadtverwaltung ein wesentlich kleineres Hochwasserrisiko als die Flüsse. Hier bestehe kein Handlungsbedarf, erklärt die Stadtsprecherin. Generell sagt Monika Blank über das Thema Hochwasserschutz in Friedrichshafen: "Wir schätzen die Lage so ein, dass wir uns kümmern müssen. Durch den Klimawandel ist die Hochwassergefahr in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen."
Stadt fordert wasserdurchlässige Pflasterbeläge
Kritiker sprechen auch davon, dass die Bauwut in vielen Kommunen die schweren Überschwemmungen mitverursacht. Denn wenn Flächen bebaut oder asphaltiert werden, kann Wasser nicht mehr natürlich in den Boden einsickern. In diesem Zusammenhang spricht man auch von versiegelten Flächen. Gesetze, wie viel Fläche in einer Stadt versiegelt werden darf, gibt es nicht.
Aber die Stadt Friedrichshafen kann von Bauherren fordern, dass diese beispielsweise Gründächer oder wasserdurchlässige Pflasterbeläge verwenden. "Dies wird bei aktuellen Bebauungspläne der Stadt Friedrichshafen auch gemacht", sagt Stadtsprecherin Monika Blank.
Gesplittete Abwassergebühren helfen
Zudem hat die Stadtverwaltung ein weiteres Mittel: die gesplittete Abwassergebühr. Denn die Niederschlagswassergebühr errechnet sich auf Grundlage der Dachfläche und der versiegelten Flächen. Das heißt: Wer auf seinem Grundstück auf viel Beton und Asphalt setzt, der muss entsprechend höhere Gebühren für die Abwasserbeseitigung bezahlen. Allerdings kann nicht alles an überflüssigem Wasser im Boden versickern.
Klaus Ruff vom Landratsamt des Bodenseekreises erklärt: "Wenn es über einen längeren Zeitraum regnet, sind die Böden gesättigt. Sie wirken dann wie betoniert."
Die Hochwassergefahrenkarte für Friedrichshafen gibt es auf der Homepage des Umweltministeriums unter
www.um.baden-wuerttemberg.de