Friedrichshafen / sz - In der großen Wohnküche der beiden ZU-Studenten Patrick Lühlow und Tim Schleicher geht es gemütlich zu: bunt zusammengewürfelte Möbel, an der Wand eine große Landkarte, darunter ein durchgesessenes Sofa. Für den Abend haben sie zwei ganz besondere Freunde zum Essen eingeladen. Zwei Freunde, die derzeit im Asylbewerberheim in Friedrichshafen leben und auf eine Zukunft in Deutschland hoffen. Beide stammen aus Syrien.
Seit einigen Monaten schauen Patrick und Tim gemeinsam mit einigen Kommilitonen der Zeppelin Universität regelmäßig in den Häfler Asylbewerberheimen vorbei, um mit den Flüchtlingen ein wenig Zeit zu verbringen. „Ich hatte schon lange den Wunsch, mich in dieser Sache zu engagieren“, sagt der 22-jährige Tim. Gemeinsam mit seinem Mitbewohner Patrick nahm er schließlich Kontakt zu Sebastian Leidinger vom Deutschen Roten Kreuz auf und wurde Mitglied beim Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement im Bodenseekreis. „Recht bald danach hat das erste Treffen zwischen uns Studenten und den Asylbewerbern in der Paulinenstraße stattgefunden.“, erinnert sich Patrick.
Persönliches Engagement
Von Anfang an war klar: es sollte eine Begegnung auf persönlicher Ebene sein und ein offener Austausch. „Wir hatten inzwischen schon viele tolle gemeinsame Abende, haben mal Pizza bestellt, das muslimische Fastenbrechen gefeiert oder sind auf Geburtstagspartys im Wohnheim eingeladen worden“, sagt Tim mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht. Besonders das zweite Treffen mit den Flüchtlingen war für die beiden Studenten ein Höhepunkt. Auf dem Programm standen eine Radtour nach Langenargen an den Strand, Spiele und lange Gespräche über die jeweiligen Kulturen. „Wir waren eine ziemlich bunt gemischte Gruppe, vom Kind bis zum Erwachsenen, viele Serben und Syrer,“ erzählt Patrick. Solche Treffen seien vor allem für die Asylbewerber wichtig, denn in den Wohnheimen halten sie sich eher in ihren eigenen Gruppen auf und haben wenig Austausch mit anderen Nationalitäten.
Diese Gruppenbildung kennt auch Anna-Maria Swiridoff, die an der ZU Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert und ihren Sommer als Praktikantin bei der Beratungsstelle für Flüchtlinge des Deutschen Roten Kreuzes in Markdorf verbracht hat. „Ich bin dort in Kontakt mit Menschen aus Bosnien, Syrien, Montenegro, Serbien, Afghanistan, Pakistan und aus dem Iran gekommen. Das war eine sehr spannende Zeit.“
Überrascht hat sie die Tatsache, eher wenig vom früheren Leben der Flüchtlinge erfahren zu haben. „Von den Schicksalen der Familien in den Heimen habe ich nur nebenbei gehört. Die Flüchtlinge selbst reden nur wenig über die Vergangenheit und schauen im Moment vor allem nach vorne.“ Sie alle hätten großes Interesse daran, sich mit uns Deutschen zu unterhalten, aber dabei stehe immer das Jetzt im Vordergrund.
Um die freundschaftliche Basis weiter zu fördern, haben sich die ZU-Studenten ein Sprachtandem-System ausgedacht, bei dem immer ein Deutscher mit einem Flüchtling zusammenkommt, um sich auszutauschen. In seinen Arabisch Kurs an der Uni ginge er seitdem viel motivierter, bemerkt Tim lachend. Dennoch bleibt die Kommunikation mit den Flüchtlingen für die Studenten die größte Herausforderung. „Wir müssen sicherstellen, dass wir jeden erreichen und das über einige Sprachbarrieren hinweg“, so Patrick.
Einen Raum ohne Barrieren bietet da der Sport, weshalb die Studenten eine Gruppe interessierter Flüchtlinge regelmäßig mit zum Fußballtraining nehmen. „Wir wollen das bald auch auf die anderen Sportarten an der Uni ausdehnen: Boxen und Tanzen zum Beispiel“, berichtet Tim von den momentanen Plänen. Auch andere Projekte jenseits des Sports stehen bereits an. „Wir haben Kontakt zur VHS und zur Musikschule aufgenommen und nach kostenlosen Kursplätzen für Flüchtlinge gefragt. Ein schönes Paradebeispiel für diese Kooperation ist ein kleiner vierjähriger Serbe, der inzwischen an der musikalischen Früherziehung teilnehmen kann“, sagt Patrick.
Das Ziel sei, das Engagement in den nächsten Monaten zu institutionalisieren und noch mehr Studenten für Sprachtandem und weitere Aktivitäten mit an Bord zu holen. Einen Namen für ihr Projekt haben sich Patrick und Tim bereits überlegt: „welt_raum“ wird es heißen.
Kontakte mit den Bürgern
„Über die Uni und die vielen studentischen Initiativen sind wir hier vor Ort ganz gut vernetzt. Wir möchten deshalb bald mit der Ashoka Jugendinitiative Kontakt aufnehmen oder auch mit den Seniorenstammtischen von ‚Gemeinsam Wohnen‘. Es gibt noch viele Möglichkeiten für Begegnungen zwischen Asylbewerbern und Bürgern“, sagt Patrick.
Auch über finanzielle Förderung für Unternehmungen und Lernmaterialien für die Flüchtlinge würden sich die Studenten freuen. Derzeit zahlen sie vieles noch aus eigener Tasche.
Anna-Maria Swiridoff weiß, dass solche Alltagsbegegnungen zwischen Deutschen und Flüchtlingen, wie Patrick und Tim sie ermöglichen, am Wichtigsten sind. Bei einem Sommerfest, zu dem auch viele Markdorfer gekommen sind hätten die Flüchtlinge für Essen und Trinken gesorgt und „nach einer Weile saßen alle beisammen und haben angeregte Gespräche geführt.“
„Uns war immer wichtig, die Flüchtlinge nicht in eine Opferrolle zu zwingen. Mein Sprachtandem zum Beispiel war in Syrien ein erfolgreicher mittelständiger Geschäftsmann, bevor er fliehen musste. Er wünscht sich hier in Deutschland vor allem die Begegnung mit den Einheimischen“, erzählt Patrick, der sich freut, dass viele seiner Kommilitonen Interesse daran zeigen, bei „welt_raum“ mitzuwirken.
Am Abend werden die beiden Studenten zum ersten Mal ihre syrischen Freunde bei sich zu Hause zu Gast haben. Es soll Pasta geben. „Irgendwie ist es auch ein Abenteuer“, sagt Tim zum Schluss.