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Kunstverein stellt ein Bild von Sophie Reinhold aus

Friedrichshafen / sz - Gebannt haben die Zuhörer im vollbesetzten Raum des Kunstvereins am Freitagabend das Gespräch zwischen Kurator Jörg van den Berg und der Berliner Künstlerin Sophie Reinhold über ihr „Portrait of a young man II“ verfolgt.

Man ist gefesselt von der Tiefe der Gedanken, der fast spielerischen Leichtigkeit, mit der Jörg van den Berg seine Fragen stellt, in Tiefen vorstößt, die sonst verschlossen blieben. Wohltuend ist hier die Ernsthaftigkeit, mit der echte Künstler sich mit ihrer und unserer Welt auseinandersetzen.

Die Konzentration auf ein einziges Kunstwerk – eine Besonderheit dieses Jahresprogramms – zwingt jeden Betrachter, sich zu stellen, da ist kein Ausweichen möglich. Faszinierend ist das Bild „Portrait of a young man II“, das schemenhafte Gesicht eines jungen Mannes, Ton in Ton mit dem Hintergrund, sich kaum abhebend. „Ich male die Gesichter fertig, nehme dann viel weg, arbeite mit dem Fragment weiter.“ Die Augen blicken den Betrachter direkt an. Er vergleicht, denkt an Enkaustik-Malerei aus ägyptischen Gräbern, an pompejanische Wandmalerei, doch dort spielte die Farbigkeit eine viel stärkere Rolle. Dennoch ist die Vergangenheit präsent: Hier wird nicht einfach in Öl oder Acryl auf eine wie auch immer präparierte Leinwand gemalt, sondern auf Marmor. Das wirkt alt, wie aus einer anderen Zeit, auch wenn das Gesicht durchaus heutig ist. Die Besonderheit des Materials, die durch Abschleifprozesse erzielte Gleichschaltung von Figur und Farbgrund stoßen das Denken an. Klar: Hier zitiert die Künstlerin Elemente aus der Kunstgeschichte, und doch ist das Tradierte nicht einfach übernommen, sondern weitergeführt. Nach dem Vergangenheitsbezug beim Malen gefragt, antwortet Sophie Reinhold: „Es ist kein bewusster Prozess, die Bezüge sind zwar klar im Bild, die Farben der Renaissance sind schon hängengeblieben, aber unbewusst.“ Also keine konzeptuelle Malerei, aber eine sehr bewusste Durchdringung, folgert Jörg van den Berg.

Auf dem Bild sind Spuren zu sehen, graue Partikel, wie wenn es beim Lagern beschädigt worden wäre. Bei genauem Betrachten entdeckt man weitere Besonderheiten. Man fragt sich, warum kein Licht auf den dunklen Augen liegt, studiert die Andeutung einer Kopfbedeckung. Das Bild macht neugierig. Wer mag der junge Mann sein, in welcher Verfassung befindet er sich? Ein Bild, das so viele Fragen stellt, darf zweifelsohne als Kunstwerk bezeichnet werden.

Die Ausstellung im Kunstverein ist bis 26. Oktober zu sehen: Mi bis Fr von 15 bis 19 Uhr und Samstag, Sonntag von 11 bis 17 Uhr.


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