Friedrichshafen / sz - Wollte hier ein Drogendealer mit fünf Kilo Amphetaminen den dicken Reibach machen? Oder wurde ein selbstloser und naiver Mann in ein krummes Geschäft hineingezogen? Mit diesen und noch mehr Fragen beschäftigt sich seit Montag das Landgericht Ravensburg, vor dem sich ein 48-Jähriger verantworten muss.
„Ich hatte keine Ahnung, was das ist. Ich habe zuvor Rauschgift noch nie gesehen“, sagte der Angeklagte, der bei der Befragung einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck hinterließ. Immer wieder stützte er die Stirn auf seine Hand und schilderte mit brüchiger Stimme, wie der Deal mit den Amphetaminen aus seiner Sicht gelaufen ist. Er versuchte dabei sich als naives Opfer darzustellen. Er sei nicht der Drahtzieher, sondern von einem Bekannten benutzt worden, um dieses Geschäft über die Bühne zu bringen. Der Bekannte – ein Bordellbetreiber, der ihm Geld schuldete – habe ihn gebeten, „ein paar Anrufe“ zu tätigen und in Aussicht gestellt, nach Gelingen des Geschäfts seine Schulden zurückzahlen zu können. Dieser Bitte sei er nachgekommen, wenngleich ihm das alles sehr unangenehm gewesen sei.
Mit diesen „paar Anrufen“ wurde ein beträchtliches Drogengeschäft eingefädelt. Laut Anklageschrift bestellte der 48-Jährige auf Geheiß seines Bekannten fünf Kilogramm Amphetamine bei seinem Neffen im Ruhrgebiet. Der Preis: 30 000 Euro. Abnehmer des Stoffs sollte eine Frau in Friedrichshafen sein, mit der sich der Angeklagte auch zweimal getroffen hatte. Der Neffe trieb einen Lieferanten in Gelsenkirchen auf, der das Paket mit den Amphetaminen – auch Speed genannt – am Nachmittag des 30. März an den Bodensee brachte. Der Bekannte, der eigentlich bei der Übergabe der Drogen dabei sein wollte, erschien zum Treffpunkt am Parkplatz Hinterer Hafen nicht. Anwesend waren nur der 48-Jährige, die beiden Drogenkuriere – und die angebliche Kundin, die in Wahrheit eine verdeckte Ermittlerin des Landeskriminalamts war.
Am ersten Verhandlungstag blieb der Angeklagte den beiden Richtern und dem Staatsanwalt einige Antworten schuldig. Warum er sich überhaupt mit dem Bordellbesitzer einließ, obwohl der einen ziemlich schlechten Ruf hat? „Weiß nicht.“ Wie der Bordellbesitzer auf die Idee komme, über ihn Drogen zu bestellen? „Keine Ahnung. Das war das erste Mal.“ Ob er bei den beiden Treffen mit der vermeintlichen Kundin auch weitere, regelmäßige Lieferungen besprochen habe? „Keine Ahnung. Ich war besoffen.“
Eine Antwort auf die Frage, warum er die Tat beging, obwohl er gut verdiente, hatte der Angeklagte dagegen parat: Er wollte seinem Vater die Pflege bezahlen.
Die Verhandlung wird am Freitag, 10. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.