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Sag’s doch, was Dir auf dem Herzen liegt

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Friedrichshafen / sz - Die Zahnspange der Tochter war in den Mülleimer gefallen, mitten in der Fußgängerzone. Das war mittags um halb zwei, ausgerechnet am letzten Urlaubstag, dem Tag der Abreise. Aber, weil der Arm des Vaters nicht lang genug war, um an die Spange zu kommen, blieb ihm nichts anderes übrig, als „irgendwo“ anzurufen. Angelika Hahn, Leiterin der 115-Telefonzentrale im Bodenseekreis, erinnert sich noch gut: „Gott sei dank waren wir noch da. Für die Mülleimer ist die Stadt zuständig. Aber um zwölf Uhr ist da Schluss. Ich habe dann beim Bauhof Bescheid gesagt und die sind sofort rausgefahren.“ Kurze Zeit später hatte die Tochter ihre Spange wieder und der Vater die Erlösung, endlich heimfahren zu können.

Wer in Friedrichshafen ein Anliegen hat, der hat es eigentlich gut, zumindest besser als andernorts. Denn ihm stehen zweierlei Wege zur Verfügung, um sich um eine Lösung zu bemühen. Als da wäre zunächst die Servicenummer 115. Wer sie wählt, kommt in der Telefonzentrale im Landratsamt heraus. Montags bis freitags zwischen 8 und 18 Uhr nehmen die Mitarbeiter Gespräche an und helfen, wo sie helfen können. Das reicht von Auskünften zu Ansprechpartnern über Formularerklärungen hin zu Öffnungszeiten.

Anliegen gehen an „Sag’s doch“

Geht es um konkrete Verbesserungsvorschläge in Friedrichshafen, nehmen die Telefonisten die Anliegen direkt für das Internetportal „Sag’s doch“ auf. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt und des Landratsamts. Über 1800 Anliegen sind dort seit dem Start vor drei Jahren eingegangen. Wie zum Beispiel die Bürgerin, die sich nach den Schwänen auf dem Bodensee erkundigen wollte: „Am Ufer in Friedrichshafen fehlen von gefühlten 100 Schwänen gefühlte 80. Wo sind diese geblieben? Abgeschossen?“, steht da unter Anliegen Nummer 500 aus dem Juli 2012.

Eine fachlich angemessene Antwort folgte zwei Tage später, obwohl die „Sag’s doch“-Betreuer keine Biologen sind. Aber sie versuchen stets, sich für die Bürger schlau zu machen. Auch, damit andere was davon haben. Denn so gut wie alle Anliegen werden im Internet auch veröffentlicht.

Auch dann, wenn es schwierig wird. Wie bei dem Anliegen Nummer 1226, bei dem eine Bürgerin sich über die Geisterbahn auf dem Seehasenfest beschwerte: „Meine Kinder haben echte Angst bekommen und können nun nicht schlafen. Muss solch ein schauriges Spektakel in unserer Stadt sein? Geisterbahnen gehören nicht nach FN! Hoffentlich kommt keine mehr, es waren schon zu viele da.“ Wie reagiert man darauf? Mit Verständnis und Erklärungsversuchen: „Eine gute Geisterbahn zeichnet sich dadurch aus, dass man sich auch wirklich gruselt“, heißt es in der sehr ausführlichen Antwort.

Die bei Weitem meisten Anfragen drehen sich derweil um Schmutz, defekte Straßenbeleuchtung oder verstopfte Gullis. „Was auch immer wieder ein Thema ist“, sagt Alexandra Eberhard, die bei der Stadt verantwortlich ist für „Sag’s doch“, „ist das Radfahren“. Da gebe es häufiger Beschwerden. Allerdings seien die meisten Nutzer eher an konstruktiven Lösungen interessiert.

Wie zum Beispiel der Bürger, der anregte, die Zeppelinstraße von Fischbach kommend in die Stadt hinein zu einer Abbiegespur zu machen. Damit der Verkehr intuitiv nicht in die Stadt hinein, sondern über die Albrechtstraße um die Stadt herum geführt wird. Ein Vorschlag also, der genauso naheliegend wie einfach war und deshalb sofort umgesetzt werden konnte und die Verkehrslage der Stadt wenigstens ein klein wenig verbessern konnte.

Portal ist eine Erleichterung

„Wir sehen das Portal nicht als Mängelmanagement“, erklärt René Baier, Projektleiter beim Landratsamt. Und es werde sehr genau auf Personendaten geachtet. Kfz-Kennzeichen werden beispielsweise nicht veröffentlicht und wenn ein Nutzer sein Anliegen privat behandelt wissen will, dann werde es nicht veröffentlicht.

Schlussendlich sei entscheidend, dass eine Meldung gemacht werde, egal ob öffentlich oder nicht. „Es ist eine Erleichterung für uns, weil wir sehr viel schneller über Probleme informiert werden“, sagt Baier. „Und wir wissen genau, wo es ist.“

Außerdem könne der Bürger über die Plattform nachvollziehen, ob sein Anliegen bearbeitet werde oder nicht. Aufschluss geben grüne, gelbe und rote Punkte auf einer Karte: Grün bedeutet erledigt. Im Oktober vergangenen Jahres wurde „Sag’s doch“ vom Staatsanzeiger mit einem Preis ausgezeichnet: als Leuchtturm der Bürgerbeteiligung.

Doch so gut das Feedback für das Beteiligungsportal „Sag’s doch“ und die Servicenummer 115 auch sein mag, nicht alle Gemeinden im Bodenseekreis wollen auf den Zug aufspringen. Von den 23 Gemeinden im Kreis beteiligen sich nur vier Städte und vier Gemeinden an der Servicerufnummer 115. Die Bundesregierung wollte eigentlich, dass das Projekt in ganz Deutschland eingeführt wird. Der Vorteil: Alle teilnehmenden Gemeinden haben Zugriff auf alle Datenbanken aller anderen teilnehmenden Gemeinden. Wann öffnet das Meldeamt in Überlingen? Wo ist die Kfz-Zulassungsstelle in Hamburg? Wen muss ich wegen Abfallbehälter in Chemnitz anrufen? All das können die Telefonisten im Häfler Landratsamt beantworten.

Und wenn woanders niemand da ist, dann übernehmen eben die Kollegen. Als die Kemptener ihre Zentrale nach Friedrichshafen umleiten wollten, gab es ein Missverständnis bei der Telekom: Anstelle Kempten leitet die Telekom Chemnitz an den See um. „Da haben wir halt den ganzen Tag Fragen auf Sächsisch gestellt bekommen“, erinnert sich Hahn amüsiert. Kein Problem. Wenn die Überlinger ihre Zentrale umlegen, würden das die Überlinger nicht einmal bemerken, dass sie mit Friedrichshafen telefonieren.

Andere Gemeinden können sich aber mit genau diesem Gedanken kaum anfreunden. Sie bevorzugen den direkten Kontakt zu den Bürgern, denen sie auch morgens beim Bäcker begenen. Auch wenn Baier diese Argumentation nachvollziehen kann, würde er sich dennoch wünschen, dass irgendwann einmal alle Gemeinden im Kreis bei der 115er-Nummer mitmachen. Schließlich – das habe die Kanzlerin gesagt, als das bundeweite Projekt startete – solle der Bürger am Telefon einen Satz nicht mehr hören: „Dafür bin ich nicht zuständig.“

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Info: Die Servicenummer 115:

Nach einem Kreistagsbeschluss 2008 fand die bundesweit einheitliche Servicenummer 115 ihren Weg nach Friedrichshafen. Damals, zum Start 2009, waren zunächst drei Mitarbeiter in der Telefonzentrale beschäftigt. Heute sind es zehn, bald sollen es zwanzig sein. Von den 23 Gemeinden im Bodenseekreis machen gegenwärtig vier Städte mit: Friedrichshafen, Überlingen, Markdorf und Meersburg. Und vier Kommunen: Uhldingen-Mühlhofen, Kressbronn, Langenargen und Meckenbeuren.

Bundesweit sind es laut Landratsamt 288 Gemeinden, die teilnehmen. Überall gilt dasselbe Serviceversprechen: 75 Prozent der Anrufe sollen innerhalb von 30 Sekunden angenommen werden, 65 Prozent der Anliegen sollen am Telefon abschließend beantwortet werden und wenn das nicht geht, soll der Anrufer innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung erhalten.

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Info: „Sag’s doch“

Das Internetportal „Sag’s doch“ startete im September 2011. Im Mai 2014 wurde es neu gestaltet. Seit dem Start sind über 1800 Anliegen eingegangen. Ihre Anregungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge können die Bürger direkt im Internet auf der Seite des Portals eingeben, sie können sich an die Servicerufnummer 115 wenden oder auch die kostenlose App (ein Programm für Mobilgeräte) nutzen, die es sowohl für Geräte mit dem Betriebssystem iOS als auch Android gibt.

Bei all der modernen Technik ist der Briefweg keineswegs ausgeschlossen. Und natürlich helfen auch die Mitarbeiter der Stadt und des Landratsamts an den Infotheken weiter. Im Internet ist das Portal zu finden unter

www.sags-doch.de

Hier können die Nutzer auch überprüfen, ob und wie schnell ihre Anliegen bearbeitet werden.


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