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Die Last der Wohnungssuche in Friedrichshafen

Friedrichshafen / sz - Eine Wohnung zu finden, die viel zu bieten hat, aber wenig kostet, scheint am See ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Wer keine Beziehungen hat, also jemanden kennt, der jemanden kennt, der ist Maklern hilflos ausgeliefert. Sie vermitteln die wenigen Wohnungen, die es gibt, und verlangen vom künftigen Mieter horrende Provisionen, bieten dafür aber einen Service, der mitunter unverschämt ist.

Mit Wohnungssuchen habe ich Erfahrung. Geschätzte 30 Mal bin ich in meinem Leben zwischen Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Frankreich umgezogen. Aber nirgends war die Wohnungssuche für mich so frustrierend wie in Friedrichshafen. Mittlerweile habe ich meinen Mietvertrag unterschrieben – im Umland.

Die erste Anlaufstelle bei der Wohnungssuche ist natürlich das Internet. Hinter fast allen Wohnungen, die auf den einschlägigen Portalen angeboten werden, stecken Makler. 2,38 Monatskaltmieten sind Standard. Bei der möblierten Ein-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt beispielsweise, deren 37 Quadratmeter Wohnfläche 370 Euro kalt kosten, wären demnach 880 Euro Provision fällig. Dazu kommen 70 Euro für den Stellplatz. Würde ich nur ein Jahr in der Wohnung wohnen – wir jungen Leute müssen flexibel und mobil sein – müsste ich die Provision auf zwölf Monate umlegen. Die Wohnung mit dem Stellplatz würden mich also nicht 440 Euro im Monat kosten, wie angegeben, sondern 513 Euro – für nur ein einziges Zimmer.

Es stellt sich die Frage: Wofür zahlen die zukünftigen Mieter eigentlich die Provision? Für Service, sollte man meinen. Für einen Profi, der die Traumwohnung findet. Träum’ weiter! Makler suchen hier nicht nach Mietern. Das müssen sie gar nicht. Denn die Mieter suchen ja selber. Jede E-Mail, die ich mit einem Häfler Makler ausgetauscht habe, unterschrieb ich mit dem Satz: „Falls Sie eine ähnliche Wohnung im Angebot haben sollten, wäre es mir eine große Freude, wenn Sie sich bei mir melden würden.“ Dreimal dürfen Sie raten, ob ich je auch nur ein einziges Angebot von einem Makler erhalten habe. Eben. Kein einziges.

Für was Provision zahlen?

Einmal bewarb ich mich per E-Mail um eine Wohnung. Am Tag darauf, vormittags, rief mich der Makler an: Ob ich am Nachmittag Zeit hätte, um zu einem Sammeltermin zu kommen? Nein, die Arbeit konnte ich an diesem Tag nicht einfach liegen lassen. Gut, sagte der Mann, er werde sich melden, wenn die Wohnung nach dem Termin noch zu haben sei. Gemeldet hat er sich nicht mehr. Genauso wenig wie die Maklerin, die mich an einem Freitagabend per SMS zu einer Wohnungsbesichtigung am Samstagmorgen einlud.

Eine Wohnung, die mir angeboten wurde, war so schäbig, dass ich mich ernsthaft gefragt habe, ob sich die Maklerin nicht dafür schämt, die Wohnung anbieten zu müssen: Wasserflecken entlang der Wände unter den Dachfenster, Fettschichten auf den grünen Küchenkacheln, Kratzspuren an Holztüren. Ein Alptraum.

Dafür soll ich Provision zahlen? Ich, der ich nicht um den Makler gebeten habe? Dafür, dass mir – dem zahlenden Kunden – die Zeiten diktiert werden? Dafür, dass ich es mit einem Vermittler zu tun habe, der nicht auf meiner Seite steht, sondern auf der Seite des Vermieters? Nein. Dafür will ich keine Provision zahlen. Dafür nicht.

Ich will keine Menschen verurteilen oder pauschalisieren. Es gibt sicherlich auch ehrenwerte Makler. Aber ich verurteile das Gewerbe als Ganzes, das sich ausschließlich an der Marktlage zu orientieren scheint und nicht an den Bedürfnissen der Mietsuchenden. Mit einem sozialen Markt hat der Wohnungsmarkt in Friedrichshafen jedenfalls nichts zu tun. Das neue Gesetz, das kommen soll (siehe Infokasten), ist mehr als nur ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist dringend nötig.

Walten Sie davon? Suchen Sie gerade eine Wohnung? Haben Sie schlechte Erfahrungen gemacht? Oder haben Sie vielleicht eine Idee, wie sich das Problem mit dem Wohnungsmarkt lösen lassen könnte? Oder sind Sie gar der Meinung, es ist alles gar nicht so dramatisch, wie es hier dargestellt wird?

Schreiben Sie uns unter dem Stichwort „Wohnungsnot“ an:

redaktion.friedrichshafen @schwaebische.de


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