Friedrichshafen / sz - Getriebe: natürlich ZF, Telematik: ZF, Lenkung: ZF Lenksysteme, Tablet-Fernsteuerung: ZF - mit einem Riesenlaster voller Technik vom Bodensee will der Stiftungskonzern bei der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover punkten. Die SZ ist den „Innovationstruck“ vorab probegefahren.
Es ist ein bisschen wie Science Fiction. Da steht ein über 25 Meter langer und 40 Tonnen schwerer Lkw mit Anhänger - und man muss ohne einzusteigen nur ein, zwei Finger bewegen, um den Koloss in Bewegung zu setzen. Tablet-Fernsteuerung heißt das Geheimnis, die neueste Errungenschaft der ZF-Ideen-Schmiede. Mit Hilfe einer App, die auf einem handelsüblichen Minicomputer läuft, und reichlich Technik im Inneren des Wagens kann man ohne große Einführungskurse den Lastzug lenken, ohne drinzusitzen. In drei Geschwindigkeitsstufen übrigens, die auf der Benutzeroberfläche als Schnecke, Schildkröte und Hase dargestellt sind und je nach dem, ob man vorwärts oder rückwärts fährt, zwischen 0,5 und vier Stundenkilometern liegen. Per Fingerdruck legt man den Vorwärts- oder den Rückwärtsgang am Rande des Bildschirms ein, der Laster wird gelenkt, indem man sein Abbild auf dem Tablet dahin zieht, wo man ihn haben will.
Schnecke, Schildkröte und Hase machen klar, wofür die Minicomputersteuerung gedacht ist: nicht für den Ritt über den Highway, sondern fürs Rangieren in Betriebshöfen und an anderen Abladestellen, wo es eng zugeht und Zeitdruck herrscht. „Der Fahrer braucht keinen Einweiser mehr“, sagt Projektleiter Olrik Weinmann. Denn dank zahlreicher Kameras und Sensoren kann der Lkw nicht nur über die App gesteuert werden. Via Livebild erhält der Fahrer von jedem beliebigen Fleck aus erhebliche bessere Ansichten aller Ecken des Gefährts als vom Führerhaus aus. Dank eines Hybridantriebs kann der Truck übrigens völlig abgasfrei rangieren. Weniger Personalaufwand, weniger Emissionen, weniger Lärm, mehr Komfort für den Fahrer, schnellere Be- oder Entladung, weniger Schäden durch Rangierunfälle - Weinmann zählt viele Vorteile des neuen Systems auf, das komplett entwickelt ist, aber bislang nicht in Serie gefertigt wird. Noch fehlt der Kunde. Das Interesse an der Erfindung sei aber sehr groß, sagt der ZF-Ingenieur.
Die Tabletsteuerung ist das Teil, das Laien am meisten beeindruckt. Doch im Innovationstruck, der im Mittelpunkt des ZF-Auftritts auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) für Nutzfahrzeuge steht, die am Donnerstag in Hannover beginnt, findet sich noch mehr. „Mit unserem Innovationstruck zeigen wir, welches zusätzliche Potenzial schon heute in unseren aktuellen Technologien steckt“, sagt Vorstandsvorsitzender Stefan Sommer. Dazu gehört das neue ZF-Nutzfahrzeuggetriebe Traxon, im speziellen Fall die Hybrid-Variante, zu der eine elektrische Maschine gehört, die 120 Kilowatt Leistung und ein Drehmoment von 1000 Newtonmetern liefert. Auch hier dreht sich alles um die Themen Effizienz, Abgasminderung und Komfort.
Im Innovationstruck steckt auch die Überlagerungslenkung Servotwin. Sie hat neben einer konventionell angetriebenen Hydraulikpumpe einen E-Motor und eine neu entwickelte elektrohydraulische Pumpeneinheit, die emissionsfreies Rangieren möglich macht. Auch das von ZF entwickelte Telematiksystem openmatics hat der Innovationstruck an Bord. Darüber läuft die Tablet-Fernsteuerung. Das Produkt, das bereits vertrieben wird, kann auch für viele andere Anwendungen eingesetzt werden. So kann man über Sensoren prüfen, an welcher Stelle im Laster welche Palette steht oder ob die Kühlkette bei Tiefkühlladung unterbrochen worden ist. Die Koordination der Parkplätze hunderter Stadtbusse in Hong Kong läuft zum Beispiel über openmatics.
Wie viel Geld im Innovationstruck steckt, kann (oder will) Olrik Weinmann nicht sagen. Nur so viel: „Das Projekt ist im September 2013 gestartet. Die Entwicklungszeit betrug zehn Monate, in denen meist fünf bis acht Mitarbeiter beschäftigt waren.“
Das zeigt ZF auf der Nutzfahrzeug IAA in Hannover
Bezahlbar, komfortabel, sparsam - auch die Käufer von Nutzfahrzeugen verbinden bestimmte Eigenschaftsworte mit dem Produkt, das sie zu kaufen gedenken. ZF versucht, die Erwartungen zu erfüllen - und zeigt das Ergebnis der Bemühungen ab Donnerstag auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover.
Weniger Sprit, weniger Gewicht mit mehr Leistung, höhere Lebensdauer, geringerer Wartungsaufwand - all das bringe ZF-Antriebstechnik, sagt der Konzern, der zum größten Teil der Zeppelin-Stiftung gehört. Kernstück der entsprechenden Präsentation auf der IAA 2014 ist das modulare, automatische Getriebesystem Traxon, das in Friedrichshafen gefertigt wird. Unter anderem im Angebot: ein Doppelkupplungs- und ein Hybridmodul für den Einsatz in schweren Lkw. Dank der Getriebe-Schaltstrategie „PreVision GPS“ kennt Traxon den kommenden Streckenverlauf und kann die Gänge vorausschauend wählen. Auf Sparsamkeit und Komfort setzt laut ZF auch das Fahrwerksystem CDC 1XL, das es ebenfalls in Hannover zu sehen gibt.
Ein weiteres wichtiges Thema für die Automobilbranche und ZF: Leichtbau. Hier hat der Konzern komplette Vorder- und Hinterachsen im Angebot, verschiedene Lenker, Dämpfermodule und -systeme sowie Fahrerhauslagerungen. Die dank alternativer Werkstoffe und Funktionsintegration erzielten Gewichtseinsparungen wirkten sich dort besonders positiv aus, schreibt ZF: „Der Verbrauch sinkt, das geringere Leergewicht von Lkw erhöht die Ladekapazität und weniger ungefederte Massen bedeuten mehr Komfort sowie weniger Lagerverschleiß. Zudem kann ZF-Leichtbautechnologie jenes Mehrgewicht teilweise oder sogar ganz kompensieren, das die für die Euro-6-Abgasnorm benötigten Zusatzkomponenten verursachen.“
In diesem Jahr noch auf dem ZF-Stand: Produkte der ZF Lenksysteme GmbH (ZFLS), bisher ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen der ZF Friedrichshafen AG und der Robert Bosch GmbH. Anfang der Woche hatten beide Unternehmen bekannt gegeben, dass Bosch die Firma, die über vier Milliarden Euro Umsatz macht, komplett übernimmt. Der Schritt erleichtert unter anderem die geplante Übernahme des US-Konzerns TRW Automotive, weil mögliche kartellrechtliche Probleme ausgeschlossen werden. Die Amerikaner sind ebenfalls im Lenkungsbereich aktiv. In Hannover sind ZFLS-Produkte zu sehen wie die Linearlenkung Servoline, die verstellbaren Flügelzellenpumpe Varioserv und das Überlagerungslenksystem Servotwin.