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„Es gibt meist nur schwarz oder weiß“

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Friedrichshafen / sz - Der Kormoran ist ein Vogel, der die Gemüter erregt. Deshalb wollte sich die Fischereiforschungsstelle Langenargen mit dem Kormoran tiefergehend beschäftigen. Die promovierte Biologin Julia Gaye-Siessegger, 44, die seit 2006 für die Forschungsstelle in Langenargen arbeitet, hat sich vier Jahre lang mit dem Kormoran am Untersee beschäftigt. Obwohl es ein emotionales Thema ist, hat sie sich gern mit dem Wasservogel beschäftigt, wie die gebürtige Ravensburgerin im Gespräch mit Michael Scheyer erzählte.

Frau Gaye-Siessegger, wie sind sie zur Fischereiforschungsstelle nach Langenargen gekommen? Was haben Sie studiert?

Ich habe Biologie studiert an der Universität Stuttgart. Ich wollte immer schon an Gewässern arbeiten und insbesondere mit Fischen. Bei meiner Diplomarbeit habe ich zwar keine Fische untersucht, sondern das Makrozoobenthos. Das sind Organismen, die im Gewässerboden leben. Danach bin ich aber zum Rosenstein Museum gegangen, dem staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, und habe dann dort intensiv mit Fischen gearbeitet.

Angeln sie denn?

Nein, ich bin keine Anglerin. Aber ich esse gerne Fisch.

Wie sieht denn Ihre Arbeit hier in Langenargen aus? Ist der Bodensee anders als andere Gewässer?

Der Bodensee ist der größte See in Baden-Württemberg. Die Berufs- und Freizeitfischerei spielen hier eine wichtige Rolle und er liegt halt genau vor der Tür. Deshalb wird natürlich intensiv am und im Bodensee gearbeitet. Aber die Fischereiforschungsstelle bedient das ganze Land: alle Fließgewässer und Seen.

Sie sind also viel unterwegs?

Seit vielen Jahren wird in bestimmten, ausgewählten Fließgewässern der Einfluss des Kormorans auf die Fischbestände untersucht. Derzeit sind das die Radolfzeller Aach, der Restrhein, die Blau und die Donau. Zweimal im Jahr fahre ich zu diesen Gewässern und untersuche den Fischbestand.

Und der Untersee natürlich. Wie kam es denn zu dem Kormoranprojekt? Interessieren Sie sich auch für Wasservögel?

Nein, das kam im Grunde auch für mich überraschend. Angefangen habe ich an der Fischereiforschungsstelle mit einem anderen Projekt. Da ging es um gesunde Fische in Baden-Württemberg. Aber dann, 2010, war der Kormoran der Vogel des Jahres. Dies führte zu großem Unverständnis bei Fischereivertretern. Daraufhin wurde von der Fischereiverwaltung beschlossen, dass das Thema Kormoran intensiver bearbeitet werden sollte, um eine fachliche Basis zu schaffen. Und so bin ich zum Kormoranprojekt gekommen.

War das ein spannender Ausflug für Sie? In eine fremde Materie?

Das war wirklich etwas ganz Neues für mich. Und es war ein sehr konfliktreiches Thema. Der Kormoran ist die wahrscheinlich am besten untersuchte Vogelart überhaupt. Da gibt es unglaublich viele Daten und Fakten, die man kennen muss, um sich in Diskussionen behaupten zu können. Es gibt meist nur schwarz oder weiß. Richtig vorwärts kommt man deshalb auch nur schwerlich.

Also ein stark emotionalisiertes Thema?

Ja, sehr emotional.

Haben Sie denn auch Angriffe erlebt, insofern, dass ihre Arbeit schlecht gemacht wurde?

Nein, also das gar nicht.

Nur die Ergebnisse will niemand hören?

Doch, in der Fischerei natürlich schon. Das ist das Widersprüchliche: In der Fischerei wird man gerne gehört. Aber im Naturschutz eben überhaupt gar nicht.

Würden Sie das Thema nochmal bearbeiten?

Auf alle Fälle, ja. Ich bin jetzt gut eingearbeitet und habe bei meinem Projekt wirklich interessante Ergebnisse herausbekommen. Ich würde dieses Thema gerne weiter behandeln.

Wie geht es denn nun weiter? Steht bereits das nächste Projekt an?

Ja, ich bearbeite bereits ein neues Projekt. Darin geht es um fischökologische Themen im Zuge der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, einer EU-Richtlinie. Diese besagt, dass bis spätestens 2027 ein guter ökologischer und chemischer Zustand in den Fließgewässern der EU-Mitgliedsstaaten vorhanden sein muss. Bisher wurde dieser gute Zustand nicht überall erreicht. Die Fischfauna ist ein Indikator für die ökologische Qualität und Funktionsfähigkeit von Gewässern.

Das heißt, wenn bestimmte Arten nicht vorhanden oder in nur geringer Zahl vorhanden sind, dann kann man davon ausgehen, dass die Wasserqualität nicht so gut ist?

Für die Bewertung von Fließgewässern wurde für Deutschland hinsichtlich der Fische das Verfahren fiBS entwickelt. Hierbei wird der Fischbestand an verschiedenen Probestellen erhoben und mit dem Fischbestand unter weitgehend unbeeinträchtigten Bedingungen verglichen und bewertet. Ist dort der Zustand nicht gut, müssen Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Aber das betrifft auch wieder ganz Baden-Württemberg, richtig? Oder sind auch Gewässer hier in der Region betroffen?

Das gilt für ganz Baden-Württemberg und natürlich auch für die Fließgewässer hier in der Region: Es liegen zum Beispiel in der Argen, Schussen, Rotach und Seefelder Aach Probestellen.

Zum Zwischenstand dürfen Sie vermutlich noch nichts sagen?

Nein. Die Abgabe des nächsten Zwischenberichts ist im Jahr 2015. Bis dahin werden Sie sich gedulden müssen.


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