Friedrichshafen / sz - Im Ringen um die Unterbringung von immer mehr Flüchtlingen aus den Krisenregionen der Welt erhöht sich der Druck auf den Kreis erneut.
Bislang konnten Aufnahmekontingente für Neuankömmlinge, die die zentrale Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe an die Kreise vergab, auf den Folgemonat verschoben werden. Doch weil Karlsruhe unter der Last von Asylbewerbern ächzt, wird der Bodenseekreis künftig keinen Spielraum mehr haben. Bis Monatsende müssen 87 Neuankömmlinge im Kreis ein neues Zuhause finden – unter teils prekären Bedingungen.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser reiche Landkreis Zelte oder Container aufstellen muss“, sagt Sebastian Leidinger von der Flüchtlingsberatungsstelle des Roten Kreuz im Bodenseekreis, Ansprechpartner für Dutzende Flüchtlinge aus aller Welt, die im Kreis derzeit eine neue Heimat suchen. Was Leidinger nur ahnt: Längst soll es im Landratsamt Notfallpläne für genau diesen Fall geben, da die derzeit vier Standorte sogenannter Gemeinschaftsunterkünfte im Bodenseekreis aus allen Nähten platzen. Ob Container- oder Zeltlager die einzig mögliche Lösung für diesen Fall sind, weiß derzeit noch niemand. Aber dass darüber geredet wird, ist sicher.
Der Grund ist simpel: Die Flüchtlingszahlen weltweit sind sprunghaft gestiegen, der Bodenseekreis bekommt die Auswirkungen zu spüren. Schon jetzt wird in die Zimmer der hiesigen Wohnheime gepackt, was nur möglich ist. „Alle Unterkünfte sind voll belegt. Teilweise überbelegt“, sagt Leidinger.
Zwangszuweisungen denkbar
71 reguläre Neuankömmlinge muss der Bodenseekreis im Monat September in seinen Gemeinschaftsunterkünften in Friedrichshafen, Markdorf, Überlingen und Kressbronn unterbringen. Dazu kommen noch einmal 16 Menschen, die der Kreis im Vormonat aus reiner Platznot abgelehnt hat und für die er jetzt erneut ein Zuhause finden muss. Die gestiegenen Zuweisungszahlen der zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge des Landes Baden-Württemberg in Karlsruhe machen alles noch schlimmer. Dort sind allein in der vergangenen Woche mehr als 1000 Flüchtlinge aus aller Welt angekommen. Diese Menschen werden jetzt auf Gemeinschaftsunterkünfte in Baden-Württemberg verteilt. Teilweise geht die Umverteilung derzeit offenbar so rasch, dass Neuankömmlinge in Friedrichshafen ohne vorgeschriebene Aufnahmepapiere aus dem Bus steigen.
Keine Verschiebespiele
Damit wird auch für den Bodenseekreis eine bequeme Praxis der Vergangenheit ein Ende haben. Bislang konnte der Kreis nämlich Flüchtlingskontingente von einem Monat auf den Folgemonat verschieben, wenn es akuten Platzmangel in den kreiseigenen Unterkünften gab. Doch wie Kreissprecher Robert Schwarz jetzt bestätigte, wird Karlsruhe solcherlei Verschiebespiele in Zukunft nicht mehr dulden. „Über kurz oder lang werden wir Zwangszuweisungen bekommen“, sagte Schwarz jüngst zur Schwäbischen Zeitung. Das denkbar schlimmste Szenario ist damit: In Karlsruhe startet ein Bus mit Flüchtlingen mit Ziel Bodenseekreis, hier wartet nurmehr ein Notfall-Zeltlager auf die neuen Bewohner.
Um für die erwartbar ansteigenden Zahlen an Flüchtlingen im Kreis gewappnet zu sein, suchen Kreis und Gemeinden daher weiterhin und fieberhaft nach neuen Unterkünften. Unlängst sah sich Langenargen veranlasst, im Mitteilungsblatt „Montfort Bote“ einen Aufruf auf der Titelseite abzudrucken: „Unterkünfte gesucht“, stand dort in fetten Lettern. Die Gemeinde suche „sofort“ geeigneten Wohnraum für Flüchtlinge um sich ihrer „gesetzlichen und moralischen Verantwortung zu stellen“. Meckenbeuren soll ähnlich vorgegangen sein.
Zwei Gemeinden in der Region haben laut Kreissprecher Schwarz zwar derzeit schon konkrete Gebäude für neue Sammelheime in Aussicht.
Doch ob das die Not langfristig lindert, steht auf einem anderen Blatt. Seit Monaten haben die Behörden die erwarteten Flüchtlingszahlen immer wieder nach oben korrigiert.
Das können Bürger und Unternehmen tun, um jetzt zu helfen:
Wohnen: Kreis und Städte suchen händeringend nach Mietwohnungen für Einzelpersonen, Familien und auch große Gemeinschaftsunterkünfte. Wer selber vermietet oder leerstehende Gebäude kennt, kann dies bei Kreis oder Rotem Kreuz melden.
Arbeiten: Flüchtlinge würden gerne arbeiten, dürfen aber nicht. Jetzt soll es Erleichterungen geben. Behörden und Organisationen können unter anderem besonders gestaltete Ein-Euro-Jobs anbieten – vom Gärtner bis zum Paketverlader.
Helfen: Ehrenamtliche Deutschlehrer, Helfer für Formularkram oder Häfler, die einfach mal eine Familie zum Kennenlernen besuchen helfen Integration zu fördern. Laut DRK ist das mehr Wert als jede Geld- und Sachspende.
Kontakt und Infos zu diesen Themen gibt es unter
s.leidinger@drk.de