Friedrichshafen / sz - Der 1838 geborene Graf Ferdinand von Zeppelin war mit Leib und Seele Offizier und verfügte gleichzeitig über ein ausgeprägtes Gespür für technische Neuerungen. In den militärischen Möglichkeiten lag auch der Schwerpunkt seiner Begeisterung für Luftfahrttechnik, die im 19. Jahrhundert ihren Anfang genommen hatte.
1863 reiste Graf Zeppelin nach Nordamerika, wo der Bürgerkrieg die Aufmerksamkeit der Militärs auf sich zog. Erstmals wurden industrielle Produktion und moderne Transportmittel wie Eisenbahn und Dampfschifffahrt kriegsentscheidend. Neu waren Maschinengewehre, Tauchboote, Panzerschiffe und Fesselballone zur Luftaufklärung. In Nordamerika stieg Graf Zeppelin auch erstmals selbst in einem Fesselballon auf, wenn auch nicht bei einem militärischen Einsatz, sondern weitab des Kampfgebiets. In einem Brief an seinen Vater beschrieb er anschließend detailliert das Potenzial der Luftaufklärung für die Kriegsführung.
Im 19. Jahrhundert war die Luftfahrt vor allem Ballonfahrt. Während der Belagerung von Paris im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 hielten die Pariser die Kommunikation aus der Stadt mit Ballonen aufrecht. Wahrscheinlich hatte Graf Zeppelin, der an der Belagerung teilnahm, diese Ballone gesehen. Hieraus wurde, ebenso wie aus seinem Ballonaufstieg im Amerikanischen Bürgerkrieg, häufig ein Auslöser für seine spätere Beschäftigung mit Luftschiffen abgeleitet, was nicht zutrifft.
Große Reichweite,hohe Nutzlast
Eine entscheidende Inspiration für Graf Zeppelin war hingegen die Lektüre des Vortrags „Weltpost und Luftschifffahrt“ des deutschen Generalpostdirektors Heinrich von Stephan aus dem Jahre 1874. Sie fand ihren Niederschlag in den „Gedanken über ein Luftschiff“ und einer Skizze in Graf Zeppelins Tagebuch vom 25. März 1874 – seine ersten belegbaren Überlegungen zu dem Problem eines Luftschiffes für große Reichweiten und hohe Nutzlasten.
Frankreich war die führende Luftfahrtnation des 19. Jahrhunderts. Hier wurden, großzügig mit Staatsmitteln gefördert, die größten Anstrengungen unternommen, das Problem des lenkbaren Luftschiffes zu lösen. 1884 gelangen mit der vom Militär gebauten „La France“ erstmals kontrollierte Fahrten. Graf Zeppelin befürchtete französische Dominanz in der Luft und einen schwerwiegenden militärischen Nachteil für Deutschland. Daher sah er sich 1886 zu einer Denkschrift an den König von Württemberg veranlasst, in der er dringend die Entwicklung von Militärluftschiffen forderte. 1886 schrieb Zeppelin auch konkret-militärische Überlegungen zur Luftschifffahrt in sein Tagebuch, als er sich zur Verbindung mit überseeischen Kolonien und zur Versorgung von Truppen mit Luftschiffen äußerte.
1890 schied Graf Zeppelin unfreiwillig aus dem Militärdienst aus. Nun widmete er sich der Aufgabe eines Riesenluftschiffes, das Deutschland dauerhaft die militärische Überlegenheit gegenüber Frankreich und Großbritannien sichern sollte.
Die Jahre zwischen dem Aufstieg des ersten Zeppelin Luftschiffes LZ 1 im Jahre 1900 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges waren ebenso von technischem Wagemut, Beharrlichkeit und Glück geprägt wie von einer immer konsequenteren Verbesserung der Luftschiffe. Angeschoben von einer nationalistisch aufgeladenen Begeisterung breiterer Massen wurden Zeppelin-Luftschiffe bei Heer und Marine eingeführt.
In Frankreich und besonders in England löste diese Entwicklung zunehmend Alarmstimmung aus. In einem zukünftigen Krieg könnten die von der übermächtigen Royal Navy beschützten britischen Inseln durch Zeppelin-Luftschiffe aus Friedrichshafen erstmals direkt bedroht werden. Zuerst sahen die Briten allerdings eher die Gefahr einer Invasion, als die von Bombenangriffen.
In Deutschland waren Graf Zeppelins Luftschiffe das Symbol der politischen und militärischen Propaganda für die angebliche Luftüberlegenheit, welche die britische Vorherrschaft auf den Meeren wett machen sollte. Aber sowohl die Befürchtungen der Briten als auch die Luftmachtphantasien der Deutschen hatten mit den wirklichen Leistungen der damaligen Zeppeline nur wenig zu tun. Tatsächlich war deren Einführung bei Heer und Marine von Pannen und schweren Rückschlägen überschattet.
Der 76-jährige Graf Zeppelin hatte auch intensiv über das Flugzeug als Alternative zum Luftschiff nachgedacht. Persönlich regte er die Entwicklung von Langstreckenbombern an, die eine 1000-Kilogramm-Bombe in das Hafenbecken von London werfen sollten. Die ausgelöste Druckwelle würde die Bordwände von Schiffen eindrücken, so zumindest die Vorstellung der Anhänger dieser irrigen Hydroschocktheorie.
Mit Kriegsbeginn forderte Graf Zeppelin den Bombenkrieg und vertrat Ansichten, die immer realitätsferner und radikaler wurden. Im Oktober 1914 schrieb er unter anderem: „Kann England in keiner milderen und für uns weniger blutigen Weise ebenso rasch mürbe gemacht werden, so ist die des Aushungerns rücksichtslos anzuwenden. Der Zweck lässt sich wahrscheinlich erreichen, ohne die gleichzeitige Erschütterung des moralischen Haltes der Bevölkerung durch das Tod und Verderben bringende Bombenwerfen in bewohnte Orte, insbesondere London – und wenn immer möglich, sollte das unterbleiben. Das Inselreich mit seiner befestigten Küste ist auch in seiner Gesamtheit einer großen Festung gleich zu achten, gegen welche alle zu ihrer Überwindung dienenden Mittel erlaubt sind.“
Zeppelin ließ also moralische Bedenken gegen einen Bombenkrieg gegen Zivilisten anklingen, die er aber sofort selbst widerlegte, indem er die britischen Inseln in ihrer Gesamtheit zur verteidigten Festung erklärte.
Kontroverse mit dem Reichskanzler
Diese und ähnliche Äußerungen Graf Zeppelins führten zu einer Kontroverse mit dem Reichskanzler Theobald v. Bethmann-Hollweg, die darin gipfelte, dass Zeppelin sich 1916 einer Anordnung beugen musste, sich nur nach Absprache mit dem Reichskanzleramt öffentlich zu äußern. Im Zeppelin-Konzern wurde er immer mehr auf die Rolle einer reinen Repräsentationsfigur reduziert und nahm bis zu seinem Tod am 8. März 1917 Anteil an der Entwicklung der Riesenflugzeuge, die er angestoßen hatte.
Im Mai 1915 waren die ersten Bomben in das Zentrum von London gefallen. Die Eskalation des Luftkrieges hatte begonnen.