Friedrichshafen / sz - Nach einer fünfmonatigen Auszeit – bedingt durch ein Gerichtsurteil, das Mängel beim Auswahlverfahren feststellte – hat Ekkehard Falk am 9. Juli wieder auf dem Chefsessel des Polizeipräsidiums Platz genommen. Im Gespräch mit SZ-Redakteur Gunnar M. Flotow erklärt der 55-Jährige, welche Aufgaben er nun dringend angehen muss – und was einen Polizeipräsidenten mit einem Tankerkapitän verbindet.
Herr Falk, Hand aufs Herz, wie waren die fünf Monate im Innenministerium?
Die fünf Monate in Stuttgart waren natürlich nicht einfach. Es war sicher auch einer meiner schwierigsten Tage, als ich hier meinen Schreibtisch räumen und das im Aufbau befindliche Polizeipräsidium verlassen musste.
Waren Sie in Stuttgart zum Zuschauen verdammt oder konnten sie die Vorgänge in Konstanz begleiten oder sogar steuern?
Es gab die klare Vorgabe, dass wir uns aus dem Geschäft der neuen Präsidien raushalten mussten, weil man für das kommende Ausschreibungsverfahren keine Hindernisse schaffen wollte. Ich habe die Vorgänge in Konstanz beobachtet, mich aber ansonsten rausgehalten.
Hatten Sie während Ihrer Auszeit eigentlich Befürchtungen, dass es mit dem Job in Konstanz nicht mehr klappen könnte?
Ja, klar. Jedes Bewerbungsverfahren hat eigene Spielregeln und neue Bewerber. Da kann es dann auch zu der Situation kommen, dass es eben nicht mehr klappt. Diese Unsicherheit war über die Monate hinweg immer vorhanden.
Gab es denn noch weitere Bewerber für Konstanz?
Es gab für jeden der Präsidentenposten mehrere Bewerber. Mich freut’s natürlich, dass die Wahl auf mich gefallen ist.
Wie hat sich denn Ihre fünfmonatige Abwesenheit auf die Entwicklung des Polizeipräsidiums Konstanz – dieser neuen Organisationseinheit – ausgewirkt?
Ausgewirkt hat sich meine Abwesenheit vor allem auf die internen Prozesse. Der Interimschef hat natürlich darauf geachtet, dass das Alltagsgeschäft weiter läuft. Grundsätzliche Fragen, die nicht dringend waren, wurden im Einzelfall zurückgestellt.
Welches sind die dringendsten Aufgaben, die Sie jetzt angehen wollen?
Die Konsolidierung der Prozesse. Die wichtigsten Punkte sind: Wie arbeiten wir zusammen? Wie schaffen wir es, die Ziele der Reform zu verwirklichen? Und wie gehen wir mit der schwierigen Personalsituation um? Im Bereich des Nichtvollzugs (Verwaltungsbeamte und Tarifpersonal, die nicht zu Schutz- und Kriminalpolizei gehören; Anm. d. Red) fehlen uns derzeit noch 25 Kollegen – das ist natürlich eine Folge des Interessenbekundungsverfahrens. So wie wir keinen von Ravensburg nach Konstanz gezwungen haben, werden wir auch keinen aus anderen Präsidien nach Konstanz zwingen. Wir brauchen jetzt halt noch ein bisschen Geduld, bis alle Stellen besetzt wird.
Weite Wege, falsche Seeseite – Konstanz als Standort der Zentrale wurde heftig kritisiert. Welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht?
Im operativen Bereich haben wir keine Schwierigkeiten. Es gibt niemanden, der von Konstanz nach Tettnang ausrücken muss, denn nach wie vor ist die Polizei dezentral organisiert. Wo der Aufwand etwas höher ist: Wenn jemand geehrt oder befördert wird, muss er jetzt hierher fahren – aber ich denke, das wird derjenige gerne in Kauf nehmen.
Im Frühjahr stand die neue Organisationsform in der Kritik. Anlass war ein Unfall in Immen-staad, bei dem die Beteiligten warten mussten, bis Verkehrspolizisten aus Kisslegg angefahren kamen, weil die Streifenwagenbesatzung den Unfall nicht aufnehmen durfte...
Nach diesem Unfall haben wir unsere Alarmierungskette verändert. Und zwar dahingehend, dass sofort die Verkehrspolizei benachrichtigt wird, wenn ein Anrufer einen Unfall mit mehreren Verletzten meldet. Das war damals nicht so. Da hatten wird die Situation, dass zunächst Polizisten vom Revier hingefahren sind und dann gesagt haben, dass Spezialisten kommen sollen. Das hat natürlich zu Zeitverlusten geführt. Weil es nicht sein darf, dass Kollegen eine dreiviertel Stunde nur herumstehen, gibt es ein klar geregeltes Procedere, was durch die ersten Kräfte am Unfallort zu tun ist. Sie können zum Beispiel fotographieren, vernehmen oder Spuren sichern. Wenn die Spezialisten da sind, wird alles an sie übergeben. Diese Verkehrsunfallgruppe haben wir eingeführt, um einerseits die Qualität zu verbessern und andererseits den Streifendienst zu entlasten. Früher war ein Streifenbeamter bei einem Unfall mehrere Stunden – bei einem tödlichen sogar Tage – mit Ermitteln und Schreiben beschäftigt. Dies fällt nun alles weg.
Wie weit ist denn die Polizeireform im Präsidium Konstanz umgesetzt? Kann man’s vielleicht in einer Prozentzahl ausdrücken?
Ich werde mich hüten. Wir arbeiten immer noch daran, dass diese Reform auch in den Köpfen ankommt. So eine Reform muss man leben. Viele Dinge funktionieren richtig gut, wie zum Beispiel der Kriminaldauerdienst oder auch das Führungs- und Lagezentrum. Ich sage immer: Wir sind eine lernende Organisation und wir werden jeden Tag ein bisschen besser. Wir bewegen mit dieser Reform auch kein Ruderboot, sondern einen Tanker – und das bei voller Fahrt.
Ein großes Versprechen der Reform waren die zwei zusätzlichen Beamten für die Reviere. Gibt es die inzwischen?
Ja. Jedes Revier hat zwei Stellen mehr und auch im Rahmen der Personalzuteilung am 1. März zwei Beamte bekommen.
Die Polizei hat im Frühjahr angekündigt, dass sich eine neue elfköpfige Ermittlungsgruppe um das Thema Wohnungseinbrüche kümmert. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir werden diese Gruppe im September mit zwei Kollegen verstärken, so dass es insgesamt 13 Beamte sind. Die Gruppe hat schon einige Erfolge erzielt. Ihr ist es gelungen, einige Taten und Tatserien aufzuklären. Wir sind derzeit dabei, die Spurensicherung und die Präventionsmaßnahmen zu optimieren. Wir haben zudem ein neues Präsenzkonzept verabschiedet, das auch die Bereitschaftspolizei einbindet. Wir wollen in bestimmten Wohngebieten einfach Flagge zeigen.
Wie soll die Präsenz konkret aussehen?
Wir wollen dort verstärkt Streife fahren oder auch Fußstreifen hinschicken. Denkbar ist auch, dass wir an Haustüren klingeln und die Leute dafür sensibilisieren, genauer hinzuschauen, was sich in der Nachbarschaft so tut.
Immer wieder hört man, dass Respektlosigkeiten und Übergriffe gegenüber Beamten zunehmen. Was kann die Polizei gegen diese Entwicklung tun?
Das ist in der Tat ein problematisches Feld. Es ist nunmal so: Wer die Polizei angreift, greift den Rechtsstaat an. Was mir große Sorge bereitet, ist, dass wir uns immer weiter von der Bürgerpolizei entfernen. Bürgerpolizei bedeutet Nähe. Wenn ich aber Angst haben muss, dass ich von meinem Gegenüber beleidigt oder bespuckt werde, werde ich Distanz wahren. Was können wir tun? Schulungen für die Kollegen, ein entsprechendes Äußeres und ein freundliches, aber bestimmtes Auftreten. Niemand bei der Polizei hat Interesse daran, körperliche Gewalt auszuüben. Unser wichtigstes Handwerkszeug ist die Sprache.