Friedrichshafen / sz - Der wachsende Strom an Flüchtlingen aus Krisengebieten weltweit stellt die Region vor Herausforderungen. Erstmals seit dem neuerlichen Anstieg der Zahlen hat der Bodenseekreis jetzt die Aufnahme von zugeteilten Asylsuchenden mit Verweis auf voll belegte Unterkünfte abgelehnt.
Rund 50 von 66 Flüchtlingen, die im August im Bodenseekreis aufgenommen werden sollten, können demnach nicht untergebracht werden. Zugleich wächst aber die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung.
Nach vorangegangenen Recherchen der Schwäbischen Zeitung bestätigte das Landratsamt das Problem: „Wir können im laufenden Monat nur etwa 15 Menschen unterbringen“, räumte Kreissprecher Robert Schwarz am Dienstag ein. Die abgelehnten Flüchtlinge müssten aber nicht auf der Straße leben, sondern würden von Baden-Württembergs zentraler Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe neu verteilt. Grund der Probleme sei die Zahl der Plätze in Gemeinschaftsunterkünften im Kreis. Rund 330 gibt es derzeit, die Zahl sei seit längerem „sehr sehr knapp“, so Schwarz weiter. Man habe sich zuletzt „von Woche zu Woche und von Monat zu Monat gehangelt“. Das gehe wiederum zurück auf die gestiegene Zahl von Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht vor Krieg und Unruhen sind. Da der Bodenseekreis wie alle Landkreise zur Aufnahme von Flüchtlingskontingenten verpflichtet ist, werden über kurz oder lang neue Unterbringungsmöglichkeiten entstehen müssen.
„Wir sind dabei, im September und Oktober weitere Plätze zu schaffen um unser Soll zu erfüllen“, sagte Schwarz weiter. Er machte keine Angaben zu konkreten Gebäuden und Unterbringungsmöglichkeiten, betonte aber deutlich, dass sich künftig mehr Gemeinden auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereiten sollten. Bislang gibt es die sogenannten Gemeinschaftsunterkünfte nur in Markdorf, Kressbronn, Überlingen und Friedrichshafen. Jetzt könnten weitere Orte im Kreis zur Bereitstellung von Gebäuden gedrängt werden.
Laut Schwarz gibt es bereits konkrete Verhandlungen mit mindestens einer Kreisgemeinde. Vermeiden wolle man im Rahmen dieser Gespräche auf jeden Fall das Aufstellen von Zelten für Flüchtlinge. Auch Containerlösungen gelten nicht als ideale Unterkunft.
Die Lage im Bodenseekreis dürfte sich in den nächsten Monaten eher noch weiter verschärfen als entspannen. Es ist von weiter wachsenden Flüchtlingszahlen in Deutschland auszugehen. In den Bundesländern sinkt in direkter Folge der vorgehaltene Platz für Neuankömmlinge. Da Baden-Württembergs Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe bereits aus allen Nähten platzt, werden die Kreise auch nicht mehr lange zugewiesene Flüchtlinge ablehnen können. Vereinzelt wurden daher schon radikale Lösungen gewählt: Im Main-Tauber-Kreis wurde unlängst ein Gebäude in Tauberbischoffsheim beschlagnahmt, um Flüchtlinge einigermaßen menschenwürdig unterzubringen.
Kein Kontakt zur Familie, Kinder in Gefahr
Während die Frage nach Unterkünften noch eine Weile prekär bleiben wird, steigt allerdings die Hilfsbereitschaft unter der Bevölkerung im Kreis an. Nach Überlingen, Kressbronn und Markdorf haben sich auch in Friedrichshafen zuletzt Menschen unter der Schirmherrschaft der St.-Columban-Gemeinde zusammengefunden und eine Art Helferkreis für Flüchtlinge gegründet. Los ging es in der vergangenen Woche mit einem kleinen Sommerfest, bei der sich Häfler und Flüchtlinge näher kamen. Es gab Essen und Getränke für alle und Unterhaltungsprogramm – darunter ein gemeinsames Torwandschießen. Künftig sollen aus den Reihen des Kreises konkrete Hilfsangebote entstehen. So suchen Helfer und Behörden vor allem nach Menschen, die sich bereiterklären, ehrenamtlich Sprachkurse anzubieten oder Behördengänge mit den Neuankömmlingen zu erledigen. Das könnte manche Not lindern – die Sorgen der Flüchtlinge kann es nicht bekämpfen.
„Das ist alles nur ein Spiel, das ist nett. Aber mein Problem ist nicht, ob ich genug zu essen habe“, sagte Ali Sulaina am Rande des Treffens zur SZ. Der Syrer befindet sich seit zwei Jahren in Deutschland, fürchtet eine Abschiebung nach Italien, wo er erstmals von europäischen Behörden registriert wurde. Kontakt zu seiner Familie hat Sulaina nur alle paar Wochen: „Vielleicht werden meine Kinder in Syrien gerade umgebracht.“
Wer Flüchtlingen in Friedrichshafen ehrenamtlich helfen will, kann sich beim Roten Kreuz unter Telefon 07541/30003474 (Donnerstag nachmittags) informieren. Kontakt zum Helferkreis gibt es unter 07541/2899211