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„Häfler helfen“ schaut auf die Not des Einzelnen

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Friedrichshafen / sz - „Ich versuche, mit dem Geld so zu wirtschaften, dass es bis zum Ende des Jahres reicht“, sagt Bernd Strohmaier. Das bedarf einer großen Disziplin, fällt aber dem Sozialdiakon der katholischen Gesamtkirchengemeinde bedeutend leichter als denjenigen, die zu ihm kommen. Zum Einen haben ihm die Leserinnen und Leser der Schwäbischen Zeitung bei der Weihnachts-Aktion Häfler helfen ein beachtliches Budget zur Verfügung gestellt, mit dem sich wirtschaften und etwas bewegen lässt. Zum anderen könne er auch Nein sagen. Angesichts der Notlagen und Ansprüche, die an ihn herangetragen werden, komme er nicht drum herum, sagt Strohmaier.

Armut hat für ihn nicht nur eine materielle Seite. Arm sein, heiße auch ausgeschlossen sein von Kommunikation, Bildung und Kultur, nicht Teilhaben und Teilnehmen können. Armut führe nicht selten in eine Verelendung, wenn Menschen ihre Selbstachtung verlieren und letztlich resignieren. Dann hilft alles Geld der Welt nicht weiter. Aber auch sie seien seine Nächsten, wenn sie an dem runden Tisch im Haus der kirchlichen Dienste sitzen.

Mitgefühl bleibt auf der Strecke

„100 000 Euro – so viel sind bei Häfler helfen im vergangenen Jahr zusammengekommen – wären im Nu weg, wenn ich jede Notlage, die an mich herangetragen wird, lindern wollte“, sagt der Sozialdiakon. Zu ihm kommen Menschen, die auf einem Berg von Schulden sitzen und nicht wissen, wie sie Miete, Strom, Wasser bezahlen sollen, Menschen, die ihre Wohnung verloren haben und sich auf dem freien Markt keine leisten können, Menschen, die physisch und psychisch krank sind, die eine Trennung aus der Bahn geworfen hat, die keine Arbeit haben, die alkoholabhängig und spielsüchtig sind. Der tägliche Umgang mit diesen Menschen habe seinen Blick auf die Stadt verändert, sagt Strohmaier. Der Sonnenseite, die Friedrichshafen mit seiner starken Wirtschaft, dem hohen Freizeitwert, den kulturellen, sportlichen Angeboten und den hervorragenden Bildungseinrichtungen so hell macht, habe lange, dunkle Schatten. Es gebe zwar eine Flut von gesetzlichen Regelungen und Vorgaben, die Sozialleistungen bis ins Kleinste regeln. Zum Glück auch eine Zeppelin-Stiftung, die viel trägt und auffängt. Aber das Leben lasse sich nicht in Paragrafen einteilen. Gerade für Menschen, die am Rand des Existenzminimus leben, bringe es Situationen, die nicht vorgesehen sind. Doch dafür gebe es kein Regelwerk, und wo nichts geregelt ist, gibt es auch keine Hilfe. Und wo bleibt das Herz, frage er sich. Gerade dieses Mitfühlen und Anteilnehmen bleibe allzuoft auf der Strecke. Deshalb sei er zu aller erst für den Einzelnen da, vor allem für jene, für die niemand mehr zuständig ist beziehungsweise, bei denen die gesetzlichen Hilfen noch nicht oder nicht mehr greifen. es handle sich oft um Engpässe, die ohne Intervention zu einer Katastrophe führen können, sagt Strohmaier. Wenn etwa eine Kündigung wegen ausstehender Miete droht, wenn die Kaution nicht aufgebracht werden kann, wenn Medikamente oder eine Behandlung nicht mehr übernommen wird oder wenn die Fahrkarte zu einer neuen Arbeitsstelle, eine Beerdigung oder die Anschaffung einer Waschmaschine das Budget sprengen.

Solidarität ist großartrig

Strohmaier will genau hinschauen und den Menschen persönlich begegnen. Deshalb habe er die offenen Sprechstunden abgeschafft. Da sei er förmlich überrannt worden, habe für den Einzelnen oft nut ein paar Minuten Zeit gehabt. Wer zu ihm kommen will, muss jetzt einen Termin vereinbaren. Das habe zunächst zwar für Misstimmung gesorgt, aber funktioniere inzwischen gut. „Häfler heflen hat keinen Automatismus“, sagt Strohmaier. „Wenn ich merke, die Leute kommen nur, um Geld abzuholen und sind nicht bereit, an ihrer Situation etwas zu verändern, ist schnell Schluss“. Ja, er sei ganz schön hart geworden während der 18 Monate, seitdem er das Sozialdiakonat inne habe, und er gibt zu: „Ich leide unter meiner Aufgabe. Was mir entgegen kommt an Elend, an Erwartungen, an verqueren und total verfahrenen Lebensgeschichten, lässt mich nicht kalt.“

Aber es gebe auch die glücklichen Momente: „Wenn ich Menschen mit den Spenden von Häfler helfen über eine Notsituation retten kann, wenn sie dann ihre Wohnung behalten können, wenn Schulden nicht mehr gar so stark drücken, wenn sich eine neue Möglichkeit auftut, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, wenn es mir gelingt, einem Mut zu machen, dass er sich nicht aufgibt, neue Kraftreserven aktiviert und sein Leben verändert.“

„Die bei der Aktion Häfler helfen gezeigte Solidarität von Bürgern ist großartig und ermöglicht Hilfe in schwierigsten Situationen“, sagt Strohmaier. Dafür sei er dankbar. Dankbar ist er auch dafür, dass er das Sozialdiakonat nicht mehr ganz allein schultern muss. Mit Diakon Ulrich Föhr, der ehemals wie er Krankenhausseelsorger war und von einem Auslandsaufenthalt zurückgekehrt ist, werde er sich die Aufgaben teilen. Föhr ist außerdem als Diakon für die Seelsorgeeinheit St. Maria Jettenhausen, Guter Hirte und St. Nikolaus Berg zuständig. Das für Häfler helfen gespendete Geld wird von der katholischen Gesamtkirchenpflege verwaltet. Zwei Drittel stehen dem Sozialdiakon, ein Drittel der Schwangerenberatung der evangelischen Diakonie zur Verfügung.

Wenn Sie Mitbürgern in Not helfen wollen, dann spenden Sie unter dem Stichwort „Häfler helfen“ auf das Konto der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Konto-Nr. 20 113 890 bei der Sparkasse Bodensee (BLZ 690 500 01). Das Geld kommt direkt und ohne Abzüge den Klienten des Sozialdiakonats und der Schwangerenberatung der Diakonie zugute.


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