Friedrichshafen / sz - Innovationsfreudige Betriebe, eine funktionierende kommunale Familie, ehrenamtlich engagierte Menschen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Freitagabend beim Bürgerempfang im Foyer der Messe Friedrichshafen das Erfolgsmodell Baden-Württemberg erklärt. Der Landesvater stellte sich nach seiner Rede auch kritischen Fragen.
Wer dem Ministerpräsidenten am Freitagabend zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass die Reise durch den Bodenseekreis bei ihm durchaus Eindruck hinterlassen hatte. Während er zuvor über Verkehrsprobleme, Wettbewerbsfähigkeit und Hochschulpolitik relativ sachlich referiert hatte, geriet er beim Bericht über seine nachmittäglichen Besuche in Meckenbeuren und Immenstaad richtig ins Schwärmen. Beim Spülmaschinenhersteller Winterhalter beziehungsweise dem Obst- und Ferienhof Gomaringer habe er „zwei Beispiele gesehen, was die Stärke dieses Raums“ ausmache. Zum einen den „Hidden Champion“ – den heimlichen Weltmarktführer –, der ständig an Innovationen tüftelt und Ressourcen schont. „Winterhalter ist ein Betrieb, der grüne Produkte herstellt und beweist, dass Ökologie und Ökonomie gut zusammengehen“, erklärte Kretschmann. Er stellte auch klar, dass der Wohlstand im Bodenseekreis nicht nur von der Großindustrie abhänge, sondern auch von vielen kleinen Tourismusbetrieben wie den Gomeringers, die nur in einer guten und intakten Kulturlandschaft existieren könnten.
Die Stärke des Bodenseekreises, aber auch die des Landes Baden-Württemberg, beruhe auf drei Säulen, stellte Kretschmann fest: der Innovationskraft der hiesigen Betriebe, dem Zusammenhalt in der kommunalen Familie, die nirgends in Deutschland so stark sei wie im Ländle, und natürlich den Menschen, die sich ehrenamtlich in Vereinen, Kirchen und sozialen Einrichtungen engagieren.
Der Bürger hat das Wort
Richtig interessant wird ein Bürgerempfang ja immer erst, wenn denn der Bürger das Wort hat. So musste der Ministerpräsident bei der anschließenden Fragerunde seine ganze Flexibilität beziehungsweise sein Improvisationstalent beweisen, als er Statements zu landschaftsverschandelnden Hagelnetzen („Ich kann den Bauern nicht sagen: Last euch halt euer Obst verhageln“), dem Freihandelsabkommen mit den USA („Kommt drauf an, was drin steht“) oder Betreuungszeiten an der Pestalozzi-Schule („Schicken Sie mir ein Mail. Ich leite es an meine gescheiten Beamten weiter“) abgeben sollte.
Natürlich kam auch das Thema Straßenbau zur Sprache. Kretschmann betonte, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland chronisch unterfinanziert sei und dass sich die Politik nicht einig sei, woher das Geld kommen solle. Von einer Maut à la Dobrindt hält der Ministerpräsident übrigens nichts. Warum? Weil die in einer Grenzregion wie dem Bodenseekreis, wo die Schweizer Nachbarn mit einer Kaufkraft von zwei Milliarden Euro unterwegs sind, große Verluste anrichten könnte.
Eine Bildergalerie zum Bürgerempfang auf der Messe Friedrichshafen finden Sie im Internet unter
www.schwaebische.de