Die Freien Wähler wollen, dass sich künftig ein Sozialarbeiter um die Prostituierten in Friedrichshafen kümmert. Einen entsprechenden Antrag wird der gemeinderat in seiner Sitzung am kommenden Mittwoch, 23. Juli, ab 16 Uhr beraten.
„Die Verwaltung wird ermächtigt, den Verein Arkade e.V. Ravensburg mit der sozialen Beratung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern im Rahmen der Straßensozialarbeit für eine zweijährige Startphase zu beauftragen“, heißt es in dem Antrag der Freien Wähler.
Das Projekt soll zunächst einmal auf drei Jahre angelegt werden. Für die ersten beiden Projektjahre soll die Stadt Friedrichshafen 51 000 beziehungsweise 43 000 Euro zur Verfügung stellen. Von dem Geld soll nicht nur eine halbe Sozialarbeiterstelle, sondern auch ein Beratungsbüro finanziert werden.
Wie begründen die Freien Wähler ihre Initiative? Zunächst einmal erfordere ein fachlich angemessener Umgang mit der Thematik „Sexarbeit“, eine Versachlichung der Debatte und eine wertungsfreie Offenheit. Moralisieren sei nicht angebracht. Nachdem 2002 das „Gesetz zur Regelung der Rechtverhältnisse der Prostituierten“ in Kraft getreten ist, sei Sexarbeit nicht mehr sittenwidrig und Verträge zum Zwecke der Ausübung der Sexarbeit haben nunmehr auch vor Gericht Bestand. Es bestehe die Möglichkeit zur (Selbst-)Organisation sowie Zugang zu Kranken- und Rentenversicherungen.
Menschen in der Sexarbeit, lassen die Freien Wähler wissen, seien eine multinationale sowie gesundheitlich gefährdete Gruppe, die oft nur einen eingeschränkten Zugang zum Beratungs- und Gesundheitssystem haben. Sie wiesen keine erhöhten Raten sexuell übertragbarer Krankheiten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auf. Jedoch seien bestimmbare Gruppen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.
Sozialarbeiter findenleichter Zugang
In Friedrichshafen sei es bislang so, dass die einschlägigen Beratungsstellen fast keine Kontakte zu Menschen in der Sexarbeit verzeichnen. Weitestgehend sind diese Stellen auf eine „Komm-Struktur“ ausgerichtet – das heißt, der Klient kommt in die Beratungsstelle. Doch wie kann man Kontakt zu Menschen in der Sexbranche aufnehmen? Im überregionalen Vergleich zeige sich, dass es sich empfiehlt, einen Sozialarbeiter auf die Straße zu schicken, um Zugang zu finden. Laut einer Zählung, die die Freien Wähler anführen, gibt es ungefähr 80 Sexarbeiterinnen in Friedrichshafen. Die Grau- und Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen – und genau diese Gruppe sei für den Streetworker interessant, da hier von größeren gesundheitlichen und sozialen Risiken ausgegangen werden müsse.
Neben der Beratung für Alltagsprobleme soll der Streetworker auch Ausstiegshilfe bieten. „Streetwork mit Menschen in der Sexarbeit ist kein ordnungspolitisches Instrument und dient nicht der Verdrängung der Branche in stigmatisierte und kriminalisierende Milieus“, sagen die Freien Wähler. „Streetwork mit Menschen in der Sexarbeit ist ein Beitrag zur Förderung der sexuellen Gesundheit und sozialen Sicherung.“