Friedrichshafen / sz - Zu später Stunde hatten die Organisatoren des Kunstfreitags das Gespräch über Kunst in der Nikolauskirche angesetzt. Und doch ist es zu ihrer Überraschung wohl eine der am besten besuchten Stationen geworden.
Gut 30 Interessierte kamen nach 22 Uhr in die Kirche zum Gespräch mit dem Künstler Hubert Kaltenmark, der Altar, Ambo, Taufstein und den Sockel für den Tabernakel geschaffen hat. Über die konkreten Werke hinaus sollte das Gespräch auch um Kunst und Kirche oder Kunst und Spiritualität allgemein kreisen. Was hätte besser zu diesem Themenkreis gepasst, als Nikolai Geršaks Einstimmung mit dem Orgelstück "Mad Rush", ursprünglich ein Klaviersolo, das Philip Glass 1979 zum Besuch des Dalai Lama in Nordamerika schrieb. Glass’ von indischer Musik beeinflusste repetitive "minimal music" erscheint auf der Orgel nicht minder kontemplativ. Geradezu hypnotisch wirkte sie auf den Zuhörer, der sich ganz in deren Sog hineinziehen ließ – da hätte es des allzu oft wechselnden Farbenspiels im Altarraum keineswegs bedurft. Das suggestive Orgelspiel schuf Stille und machte den sakralen Raum bewusst, der dann zum Thema des Gesprächs wurde. Für den verhinderten Frank Thorsten Moll übernahm Friederike Lutz vom Leitungsteam des Kunstfreitags das Gespräch mit Hubert Kaltenmark. Auch wenn er Steinbildhauer mit Meisterbrief sei, habe er die Grenze zur Kunst längst überschritten und sehe sich auch als Künstler, denn dieser Begriff verschaffe ihm mehr Freiheit. Als Künstler hat er 2014 den Kulturpreis der Kunst- und Kulturstiftung des Bodenseekreises erhalten und schafft überwiegend Werke im kirchlichen Auftrag.
Die Welle als Idee
Die ersten Fragen bezogen sich direkt auf die anfangs umstrittenen, inzwischen allgemein anerkannten Arbeiten für St. Nikolaus. Dass nur der Tabernakel mit der Aufschrift "Siehe, ich mache alles neu" den Luftangriff im Weltkrieg unversehrt überstanden hatte, habe ihn für die Formfindung ebenso beeinflusst wie die Wellen des nahen Sees: "Dann war die Welle als Idee da." Eine Welle, die trage und zugleich Gefahr sei für ein Schiff, eine Welle, die er hier in der Stadt Friedrichshafen aus Metall in den Steinblock treiben wollte. Natürlich schwinge auch die christliche Metaphorik des Wassers und der Welle mit, doch eigentlich wolle er gar nicht zu theologisch werden. Kaltenmark brauche die Freiheit des Künstlers, auch bei Auftragswerken der Kirche. Er verteidigt seine Autonomie – hätte er die konkrete Anweisung bekommen, diese Welle auszuführen, hätte er abgelehnt: "Ich will selber draufkommen, nur so kann ich arbeiten." Christlich geprägt sei er durch das Umfeld, in dem er aufgewachsen ist, dennoch habe er lange keine Figuren schaffen wollen, bis doch eine Madonna entstanden sei – eine ungewöhnliche Madonna aus geschichteten Briketts. Seine Ideen müssen aus dem Raum heraus entstehen, für den er arbeitet – so soll es bei seinem jüngsten Auftrag für eine Rokokokirche in Freising ein "Hereinragen des Jenseits in die Welt" werden.
Es ist unterdessen fast elf geworden und viele Besucher nehmen das Angebot an, die Kunstwerke im Altarraum aus der Nähe zu betrachten. Neben dem Künstler ist auch Hausherr Pfarrer Markus Hirrlinger gerne zu Erläuterungen bereit.