Quantcast
Channel: Schwäbische: Feeds: Spaichingen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 14293

Siegbert Schefke macht DDR-Geschichte lebendig

$
0
0

Friedrichshafen / sz - Wer sich noch an seine Schulzeit erinnert, der weiß, dass der Geschichtsunterricht manchmal etwas zäh daherkommt. Ganz anders am Mittwoch in der Jahrgangsstufe eins der Hugo-Eckener-Schule: Zu Gast war die freie Journalistin Maren Martell, die den Schülern einen Einblick in ihr Buch "Meine Freiheit" (2014) gab, das sie zusammen mit Kathrin Höhne geschrieben hatte. Sie brachte auch einen besonders geschichtsträchtigen Gast mit.

Martells Buch umfasst 25 Geschichten von vollkommen verschiedenen Menschen. Nur eines haben sie gemeinsam: eine Vergangenheit in der ehemaligen DDR. Heute sind diese Menschen Weingutbesitzer, Politiker, Sozialarbeiter, Erzieher oder auch Schauspieler – oder Journalisten, wie Siegbert Schefke, der die Buchautorin begleitete. Schefke wurde 2005 für seine Verdienste um die Deutsche Einheit das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, vor dem Brandenburger Tor sprach er bereits vor Zehntausenden Menschen und auch bei Bundespräsident Gauck ist er ein gern gesehener Gast. Gestern jedoch stellte sich Schefke vor rund 40 Schüler der zwölften Jahrgangsstufe und nahm sie mit auf eine Zeitreise in die alte DDR.

Plötzlich befanden sich die Zuhörer im Jahr 1989. Es ist der Morgen des 9. Oktobers. Der Umweltaktivist und Regimegegner Schefke kann der Überwachung durch die Stasi entkommen und macht sich gemeinsam mit dem Fotografen Aram Radomski auf den Weg nach Leipzig – mit der Fotoausrüstung im Kofferraum. "Als wir auf der Autobahn an einem Konvoi mit Einsatzwagen der Volkspolizei vorbeikamen, packte uns erstmals die Angst", erinnerte sich Schefke.

In Leipzig positionierten sie sich mit einem Vorwand auf dem Turm der Kirche am Törndlinring. "Was wir dort filmten, hätten wir selbst nicht erwartet", sagte Schefke. Es handelte sich mit rund 70 000 Menschen um die bisher größte, friedliche Montagsdemonstration in der Stadt.

Am Abend trafen sie sich im Hotel Merkur mit dem DDR-Korrespondenten Ulrich Schwarz, der das Filmmaterial in seiner Unterwäsche in den Westen schmuggelte. Am 10. Oktober 1989 kamen diese Aufzeichnungen in den ARD-Tagesthemen. Die Menschen in Deutschland und darüber hinaus erkannten nun, dass aus dem Widerstand gegen das DDR-Regime eine riesige Massenbewegung geworden war. Nur knapp einen Monat später war die DDR Vergangenheit.

"Klar war es ein großes Risiko, aber ich hätte nichts anders gemacht. Wenn, dann hätte ich höchstens noch eins drauf gesetzt. Als junger Mann wollte ich endlich die Welt sehen. Doch vor allem wollte ich nicht, dass meine Kinder einmal in diesem Gefängnis aufwachsen müssen, wie ich es musste", sagte Schefke. Und etwas traurig fügte er hinzu: "Die Welt habe ich mir damals allerdings anders vorgestellt – es gibt so viel Grausamkeit in ihr."


Viewing all articles
Browse latest Browse all 14293