Friedrichshafen / sz - Fast 82 000 Euro haben Leser der Schwäbischen Zeitung bei der vergangenen Aktion "Häfler helfen" für Mitmenschen in Not gespendet. Das ist eine Menge Geld, mit dem Sabine Hornig, Ulrich Föhr und Bernd Strohmaier versuchen, ganz individuelle Notlagen zu wenden. Und das ist wörtlich gemeint: Wenn sie mit den Spenden eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank finanzieren, eine Kaution übernehmen oder eine Medikamentenrechnung begleichen, sind das keine Zugaben zur staatlichen Sozialhilfe, sondern notwendige Hilfen, versichern die Helfer.
Die beiden Stadtdiakone der katholischen Gesamtkirchengemeinde und die Familienberaterin der Diakonie sind dankbar für jeden Euro, der ihnen bei der vorweihnachtlichen Spendenaktion "Häfler helfen" anvertraut wurde. Das Geld wird von der katholischen Kirchenpflege verwaltet und steht nach Anzahl der Kirchenmitglieder zu zwei Dritteln dem Stadtdiakonat und zu einem Drittel der diakonischen Beratungsstelle zur Verfügung.
"Ohne diese Mittel müssten wir die meisten weiterschicken", sagt Strohmaier. Wer nämlich im Haus der kirchlichen Dienste oder bei der Beratungsstelle in der Scheffelstraße anklopft, ist in Not - häufig in höchster. Denn "bevor sich jemand an uns wendet, hat er meist eine Odyssee durch Ämter, Beratungsstellen und anderen Institutionen hinter sich", sagt der Stadtdiakon. Erst wenn’s brennt und die Probleme über den Kopf zu wachsen drohen, schlagen die Leute bei den Stadtdiakonen auf. Sabine Hornig hat ähnliche Erfahrungen mit jungen Familien.
Als brennendstes Problem in Friedrichshafen stellt sich derzeit die Wohnungslage dar, versichern übereinstimmend die Stadtdiakone und die Familienberaterin. Auf dem ohnehin engen sozialen Wohnungsmarkt tummeln sich immer mehr Gruppen - neben den klassischen Sozialhilfeempfängern, Geringerverdienern, Alleinerziehenden und kinderreichen Familien zunehmend auch Asylbewerber. Alle seien auf günstigen Wohnraum angewiesen, und der sei äußerst knapp. In dieser angespannten Lage sei es bereits ein Riesenerfolg, wenn es gelinge, einer Familie mit der Übernahme einer Kaution, einer Maklergebühr oder mit einer Umzugshilfe eine Wohnung zu sichern. Hornig erzählt von vier Fällen, in denen ihr das gelungen sei. Auch die Stadtdiakone haben Häfler helfen-Spenden in diesem Bereich verstärkt eingesetzt.
Es sei für die Menschen ungeheuer zermürbend, an eine bezahlbare Wohnung zu kommen, sagt Ulrich Föhr. Er erzählt von einer sechsköpfigen Familie, die zurzeit in einer 60 Quadratmeter großen Wohnung wohne, von einer alleinerziehenden Mutter, die ein ein-Zimmer-Appartement bewohne, von einer Frau mit zwei Kindern, die eine Räumungsklage am Hals hat und auf keinen Fall in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen werden will.
Die Notlagen werden zunehmend komplexer. Die staatlichen Hilfen passen deshalb nicht immer, sagt Strohmaier. Es gebe Situationen, in denen niemand mehr zuständig sei und weiterhelfen könne. Als Beispiel nennt der Stadtdiakon eine ältere Dame, die von Grundsicherung lebt und durch ein Versäumnis plötzlich auf 860 Euro GEZ-Schulden sitzt. Oder eine Mutter, die am Freitag mit leerem Geldbeutel vor der Tür steht und nicht weiß, wie sie übers Wochenende ihre Kinder ernähren soll. Familien kämen oft schon in Schwierigkeiten, wenn eine Klassenfahrt eines Kindes anstehe. Es sei für viele zwar unvorstellbar, aber "20 Euro können ein ganzes System aus den Angeln heben", sagt Hornig.
Die Zuwendungen aus dem Häfler helfen-Topf folgten keinem Automatismus. Meist handle es sich um Überbrückungshilfen in akuten Notlagen, wenn niemand anders einspringen könne. Ein Dutzend Wachmaschinen und einige Kühlschränke haben die Helfer über örtliche Fachhändler im ersten Halbjahr besorgt. Für Sachspenden, die sie immer wieder angeboten bekommen, haben die Stadtdiakone inzwischen einen Lagerraum. Sie begrüßen es sehr, wenn die Caritas bald in der Paulinenstraße ein Sozialkaufhaus einrichtet. Der Bedarf dafür sei auf jeden Fall vorhanden, weiß Sabine Hornig.
Der letzte Strohhalm
"Wir haben nicht den Anspruch, alles zu richten", sagt Strohmaier, was mit Geld ohnehin nicht gehe. Armut aber mache einsam und krank. Sie seien so etwas wie der letzte Strohhalm, an dem sich die Menschen festhalten. Im Gegensatz zu Ämtern, die jeweils nur für ein Sachgebiet zuständig sind, können sie den ganzen Menschen in den Blick nehmen. Wenn dann aber sieben Nationalitäten an einem Tag im Stundentakt am Tisch sitzen und jeder sein Leid klagt, kommen auch die Helfer an Grenzen. Armut in Friedrichshafen hat heute auch mit Migration und den Flüchtlingsdramen zu tun.
Spenden unter dem Stichwort "Häfler helfen" können Sie auf das Konto der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen, Nr. 20 11 38 90 bei der Sparkasse Bodensee (BLZ 690 500 01),
IBAN DE52690500010020113890. Wenn Sie Namen und Anschrift auf der Überweisung angeben, bekommen sie eine Spendenbescheinigung.