Friedrichshafen / sz - Vor dem Landgericht Ravensburg wird am heutigen Mittwoch entschieden, ob der Prozess zwischen dem ehemaligen Kanzler der Zeppelin-Universität Friedrichshafen (ZU), Niels Helle-Meyer, und seinem ehemaligen Arbeitgeber weitergeht – oder ein Urteil fällt.
Der Streit um Recht und Unrecht seiner Kündigung ist eine Nachwehe der großen Tumulte an der jungen privaten Hochschule im vergangenen Jahr. Denn so sehr sich die Universität einen Neustart unter einer neuen Chefin wünscht – so wenig kann sie absehen, ob drei tickende Zeitbomben aus der Krisenzeit bald hochgehen – oder sich als Blindgänger erweisen.
Es ist Dienstagmittag am Campus der Zeppelin-Universität am Seemoser Horn in Friedrichshafen. Auch wenn viele Studenten der Elitehochschule wegen der Semesterferien ausgeflogen sind, herrscht noch ordentlicher Betrieb in Foyer und Mensa des Gebäudekomplexes am Bodensee. Bücher und Laptops von Studenten und Dozenten liegen zugeklappt auf den Tischen hinter der großen Glasfront, denn in diesem Moment stehen Cevapcici, Reis und Paprikapaste auf dem Stundenplan. Niemand beachtet im Trubel der Mittagspause das kleine Flugblatt der Juso-Hochschulgruppe, das etwas abseits am schwarzen Brett flattert. "Unser Umgang mit Geld" titelt das Papier.
Der Text des Flugblatts handelt von Fußballikone Uli Hoeneß und seinem Umgang mit Steuermillionen und führt rasch, in Analogie, zur Zeppelin-Universität selbst. Keine Frage beschäftigt die junge und aufstrebende Hochschule seit 2014 schließlich so sehr, wie jene um den Fall ihres großen Stars, Ex-Präsident Stephan A.Jansen, selbst ernannter Gründungspräsident der 2003 geschaffenen Einrichtung mit heute 1200 Studenten. Seit Jansen am 8. September 2014 die Uni wegen einer Provisionsaffäre verlassen musste hat sich der "Umgang mit Geld" als Dauerthema am Seemoser Horn etabliert. Der Reihe nach:
Erstes Zeichen der aufkommenden Krise an der ZU war jener Tag, an dem Niels Helle-Meyer, Kanzler und damit Herr über Haushalt und Personal der ZU, rausgeworfen wurde. Die Personalie entwickelte 2014 Zündstoff, da Helle-Meyer als Gegenspieler von Stephan A. Jansen gilt, der kurz nach Helle-Meyer auch die Universität verließ. Jansen, als schillernde Persönlichkeit im sonst eher grauen Wissenschaftsbetrieb bekannt, soll aus privaten Fördermitteln höhere Beträge in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, so der Vorwurf, der bis heute die Staatsanwaltschaft Ravensburg beschäftigt. Die Affäre hatte Ende 2014 einen immensen medialen Wirbel um die Häfler Uni entfacht. Doch ob Jansens Tun erlaubt war oder nicht, dazu gibt es so viele Meinungen wie Bücher in der ZU-Bibliothek. Frühestens im Herbst wird sich daher entscheiden, ob gegen den Ex-Hochschulpräsident Anklage erhoben wird oder nicht, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Ravensburg am Dienstag.
Zwei Prozesse...
Parallel dazu blickt die Häfler Uni derzeit gespannt auf den Prozess zwischen Helle-Meyer und seinem einstigen Arbeitgeber. Der Ex-Kanzler kämpft nach eigenen Angaben um eine Wiederanstellung an der ZU. Seine These: Die Universität und die ZU-Stiftung als ihr Träger hätten ihn wider besseres Wissen aus der Uni gedrängt. Er sei doch der einzige gewesen, der einem außer Kontrolle geratenen Stephan Jansen noch hätte Paroli bieten können.
Helle-Mayer hat an der Hochschule bis heute prominente Unterstützer. Darunter ist Alfred Kieser, bis vor Kurzem von der ZU-Stiftung eingesetzter Interims-Präsident. Er sagt: "Helle-Meyer war gewiss eine Art Bauernopfer."
Es braucht wenig Phantasie, um zu verstehen: Der jeweilige Ausgang der Verfahren um ZU-Präsident Jansen und um Kanzler Helle-Mayer haben das Zeug dazu, die Häfler Universität auch fast ein Jahr nach der Krise noch einmal zu erschüttern. Was wäre, wenn Stephan Jansen zu Recht beschuldigt wird? Was, wenn sein Tun rechtlich in Ordnung und allenfalls moralisch zu beanstanden ist? Was wäre, wenn Helle-Mayer zu Recht von der Uni geworfen wurde? Und was, wenn er tatsächlich einer der wenigen war, der versucht hatte dem Treiben Jansens Einhalt zu gebieten?
Es sind Fragen, deren Antworten viel für die Arbeit einer Frau bedeuten dürften, die mit all den genannten Vorgängen nichts zu tun hat: Insa Sjurts. Die ehemalige Geschäftsführerin der Hamburg Media School wurde im Frühjahr 2015 als neue Präsidentin an die ZU in Friedrichshafen geholt. Als Expertin für Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Vertrauen in Organisationen soll Sjurts derzeit den Scherbenhaufen aufräumen, den ihr Vorgänger Jansen hinterlassen hat. Bei der Wahl von Sjurts im Dezember 2014 gab Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand schon mal die Richtung der neuen Politik an der Uni vor: "Die Erwartungen an die künftige Präsidentin sind sehr groß", sagte Brand: "Sie steht auch für einen klaren Neubeginn der ZU", sagte der Kommunalpolitiker – wohl wissend, dass der Neubeginn kein leichter werden dürfte.
...und eine leere Kasse
Neben den tickenden Zeitbomben der Ermittlungen gegen Jansen und des Prozesses um Niels Helle-Mayer wurde der neuen ZU-Präsidentin vor Kurzem nämlich noch eine dritte, nach der Krise weiter tickende Bombe in Erinnerung gerufen: die Budgetplanung der Uni. Anlass war eine ungewöhnlich ausführliche Stellungnahme der ZU-Stiftung, Aufsichtsorgan der Zeppelin-Uni, zum Helle-Meyer-Prozess. Darin schilderte die Stiftung erstmals, was bislang als unbestätigte Vermutung im Raum stand: In der Ära Jansen wurden nicht nur die Taschen des einstigen ZU-Präsidenten gut gefüllt – auch sonst verfolgte Sjurts umstrittener Amtsvorgänger offenbar eine Geldpolitik griechischen Ausmaßes.
Wenn es zutrifft, was die Stiftung unter dem Vorsitz von Sparkassen-Chef Werner Allgöwer in einer öffentlichen Erklärung von Ende Mai als "wahres Ausmaß der internen Schwierigkeiten" an der Universität bezeichnete, dürften in der Eliteuni mindestens zwischen Februar und August 2014 chaotische Zustände in den Kassen geherrscht haben. Es mangelte nicht nur an "präzisen Wirtschaftsplänen" und einem "aussagefähigen Rechnungswesen". Auch habe man auf "umfangreiche Kosteneinsparungen drängen müssen". Hinter vorgehaltener Hand heißt es dazu passend: Jansen habe das Geld in seiner Amtszeit derart aus dem Fenster geworfen, dass dies bis heute Folgen haben könnte – sei es im Personalbereich der Uni oder bei der Frage, ob die Hauptsponsoren der Universität weiterhin Millionen in die Uni pumpen werden. Diese Zeitbombe dürfte an der Universität am Bodensee derzeit wohl die meiste Sprengkraft haben. Dass es gelingt, sie zu entschärfen, ist der Universität, ihrer neuen Präsidentin und den Studenten zu wünschen.
Zurück in die Mittagspause am Campus am Seemooser Horn. An einem der Tische sitzt Marco Ramjak, 22 Jahre, Politik-Student im vierten Semester. "In den letzten Monaten hat sich hier viel verändert", sagt er und meint damit Personalwechsel und Reformen in der Chefetage der Uni. Er schätze trotz aller Tumulte den Zusammenhalt von Studenten und Dozenten und den freien Geist der Uni. Ob die Krise ausgestanden ist? "Es ist zu früh, das zu bewerten", sagt Ramjak nachdenklich und fährt fort: "Aber es ist gut, dass jetzt jemand neutrales von außen drauf schaut – und dass die Antwort auf diese Frage nicht in unseren Händen liegt."