Friedrichshafen / sz - Wo fühlen sich Radfahrer im Häfler Verkehr unsicher? Der Fahrradclub Bodensee hat sechs Testfahrerinnen mit Messgeräten verkabelt und auf eine Tour durch Friedrichshafen geschickt. Ziel der Studie ist eine Karte, die anzeigt, an welchen Orten Fahrradfahrer Stress haben und wo sie entspannt radeln können. Dazu sollten sich die Testpersonen an die Hinweisschilder des Bodenseeradweges halten. Die Schwäbische Zeitung war mit dabei und hat die Strecke vom Restaurant Waldhorn in Manzell bis zur Jugendherberge und zurück getestet.
"Sie sollen eine ganz unbeschwerte Radtour machen", sagt Georgios Papastefanou, Sozialwissenschaftler und Entwickler des Messverfahrens. Leichter gesagt als getan: Das Smartband an meinem Handgelenk ist ziemlich eng, stört aber nicht beim Radeln. Es ist mit einer Antenne verbunden, die Papastefanou an meine Schulter geklebt hat. Zusätzlich trage ich noch eine Kamerabrille ohne Gläser und eine Actionkamera auf dem Sturzhelm. Mit den Geräten wird die Hauttemperatur und -leitfähigkeit, die Position und die Ausrichtung nach Himmelsrichtungen gemessen. Damit weiß der Sozialwissenschaftler zu jeder Zeit genau, wo ich bin, in welche Richtung ich mich drehe, was ich anschaue und vor allem: wie ich mich dabei fühle. "Wir zeichnen Ihr Nervenkostüm auf", betont Papastefanou.
Schnitzeljagd auf Rädern
Nach einer kurzen Einführung geht es los. Der erste Teil der Strecke verläuft entspannt, der Radweg ist durch einen Grünstreifen von der Bundesstraße getrennt. Die ersten Probleme auf der Fahrt stellen nicht die anderen Verkehrsteilnehmer, sondern die Beschilderung dar. Es wird zu einer Art Schnitzeljagd: immer auf der Suche nach dem nächsten Schild. Oftmals sind sie versteckt, oder missverständlich. Für einen Touristen, der die Gegend nicht kennt und sich an den Hinweisen des Bodenseeradweges orientieren will, wird das keine entspannte Fahrt.
Die Friedrichstraße und die Fußgängerzone fordern meine ganze Aufmerksamkeit. Hier nehme ich den falschen Weg durch die Innenstadt, ohne es zu merken. Fußgänger gehen unbedacht über die Radwege. Radler kommen mir entgegen oder überholen mich. In der Fußgängerzone muss ich sogar noch mit den Autos konkurrieren. Bis zur Jugendherberge geht es weiter auf dem Schutzstreifen neben den Autos. Wenn dort nicht zufällig langsame Fahrradkolonnen vor einem den Weg versperren, ist das ein entspanntes Stück.
Auf dem Rückweg nach Manzell führt der Bodenseeradweg durch die Schmidstraße. Dort sind nur Radler und Fußgänger erlaubt. Hier schätze ich meine emotionalen Reaktionen sogar positiv ein. Georgios Papastefanou hat das Messverfahren entwickelt, um positive, negative und neutrale Emotionen zu messen. Wenn mehrere Testpersonen an derselben Stelle Stress oder sogar Angst haben, kann man Rückschlüsse auf die Verkehrslage für Fahrradfahrer ziehen.
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) möchte in dieser ersten Studie untersuchen, ob die Ergebnisse ausreichend sind, um Problemstellen in der Verkehrsführung aufzudecken. "Die Stadt schaut nur auf die Unfallzahlen. Die ‚Beinahe-Unfälle‘ und die Dunkelziffer werden dabei völlig außer Acht gelassen", sagt Bernhard Glatthaar, stellvertretender Kreisvorsitzender des ADFC. Nächste Woche sollen die Messungen ausgewertet sein. Bei eindeutigen Ergebnissen will der ADFC größere Studien ansetzen, um mit fundierten Daten auf die Stadt zuzugehen.
Ein Video zur Testfahrt gibt es ab Montag online unter schwäbische.de