Nach der Kollision des Bodensee-Passagierschiffs „MS Stuttgart“ am Dienstag im Hafen von Friedrichshafen ist der Hergang des Unfalls von Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) und Polizei weitgehend rekonstruiert worden. Offenbar blieben der Crew kaum 15 Sekunden, um auf den Ausfall der Steuerelektronik zu reagieren. Bei dem Unfall waren am Dienstag drei Personen verletzt worden, der Kapitän des Schiffs erlitt einen Schock.
Die MS Stuttgart hatte eine Steganlage aus Beton im BSB-Hafen in Friedrichshafen gerammt, nachdem die Elektronik der Motorsteuerung unerwartet ausgefallen war. Damit war es nach Angaben der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen nicht mehr möglich, die Rückwärtsfahrt des Schiffs zu unterbrechen. An Bord waren rund 140 Passagiere plus Besatzung auf einer regulären Linienfahrt.
400 Tonnen in Bewegung
„Es gab keine Chance, den Unfall zu verhindern“, sagte Frank Weber, BSB-Betriebsleiter in Friedrichshafen am Mittwoch zur Schwäbischen Zeitung. Zwischen Ausfall der Elektronik, während das Schiff rückwärts fuhr, und der Kollision mit der Hafenmauer sei nicht einmal mehr Zeit gewesen, Besatzung und Passagiere über die Lautsprecheranlage zu warnen. Da das 400-Tonnen-Schiff nur Schrittgeschwindigkeit gefahren sein soll, sei laut Weber ein größerer Schaden verhindert worden. Zudem habe es keine Hinweise und keinen Alarm zu dem bevorstehenden Defekt gegeben.
Den genauen Ablauf des Unfalls rekonstruierten am Mittwoch Mitarbeiter der BSB und der Wasserschutzpolizei. Auch die Staatsanwaltschaft Konstanz ist offenbar eingeschaltet. Nach Angaben von Betriebsleiter Weber hatte es einen ähnlich gravierenden Ausfall der Steuerelektronik bei einem Passagierschiff auf dem Bodensee bislang noch nicht gegeben. Man stehe nun in Kontakt mit dem Hersteller der Anlage, um die Ursache des Schadens feststellen zu können. Es sei überdies eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, dass die Elektronik gerade beim sensiblen Manöver im Hafen ausgefallen sei. Draussen auf dem See wäre mehr Zeit geblieben, auf den Ausfall zu reagieren.
„Es ist der Crew schließlich gelungen, auf Standgas zu schalten und das Schiff abzufangen“, sagte auch Christoph Mandalka, Chef der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen, zum Unfallhergang. Nach der Havarie und dem Evakuieren des Schiffs sei es offenbar gelungen, die Stuttgart mit Leinen am Werkskai der Bodensee-Schiffsbetriebe BSB festzumachen. „Die haben hervorragend reagiert“, so Mandalka in seiner Einschätzung.
Neben dem Schaden am Schiffsheck in Höhe von rund 10000 Euro wurden vor allem die Hafenanlagen in Friedrichshafen beschädigt. Am Werksteg der BSB wurde eine Betonplatte der Lauffläche versetzt und stark beschädigt, ein Dalben wurde verbogen, an der Molenwand gegenüber wurde offenbar ein Geländer von der Schiffsfront der MS Stuttgart eingedrückt. Die Reparatur des Schiffs könnte indes recht schnell erfolgen: Binnen zwei Tagen soll die Stuttgart laut BSB wieder einsatzbereit sein.
Havarien und Zwischenfälle auf dem See:
15. Juni 1976: Neun Fahrgäste der MS Kempten stürzen im Hafen von Meersburg von der Gangway. Eine Person stirbt.
31. Juli 2002: Die Fähre Fritz Arnold kommt vor Meersburg vom Kurs ab und läuft auf Grund. Niemand wird verletzt.
6. August 2002: Ein Fischer fällt nach dem Zusammenstoß seines Bootes mit der „MS Karlsruhe" vor Friedrichshafen von Bord. Er überlebt nicht.
16. Januar 2006: Der Katamaran „Fridolin“ verfängt sich bei der Hafeneinfahrt in Friedrichshafen mit der Schraube in einer Boje und wird manövrierunfähig. Menschen kommen nicht zu Schaden.