Friedrichshafen / sz - Rehkitze im hohen Gras zur Zeit der Mahd im Mai: Jedes Jahr sterben auch im Bereich der Kreisjägervereinigung Tettnang ungezählte Jungtiere, weil sie unter Mähmaschinen geraten. Marion Morcher und Andreas Fehr, die eine Geschäftsführerin des BUND Friedrichshafen, der andere stellvertretender Kreisjägermeister, machen nun gemeinsam Front gegen das sich Jahr für Jahr wiederholende Tiersterben. Beide fordern die Politik auf, Forschungsgelder zur Problemlösung bereitzustellen. Gegenmaßnahmen gebe es durchaus - die zu mähende Wiesen überfliegenden Drohnen mit Wärmebildkamera.
Rehkitz-Sterben während der Mahd: "Es ist ein uraltes Thema. Es ist eines, das jedes Jahr auftritt - und für das dennoch keine Lösung gefunden wurde", klagt die BUND-Geschäftsführerin. Die promovierte Biologin sieht "dringenden Handlungsbedarf". Marion Morcher: "Es geht um unermessliches Leid für Tiere und Menschen, die in diese Situation verwickelt sind." Mit dieser Aussage steht die Biologin nicht allein. Auch Andreas Fehr, Jäger wie nebenberuflicher Landwirt, legt seine Finger in die "offene Wunde": "Als Jäger wie Naturschützer ist es nicht tragbar, wenn Tiere vermäht werden." Fehr schätzt, dass jährlich rund zehn Prozent der Abschussquote unter den Messern der Mähwerke sterben. Genaue Zahlen gebe es nicht. Aber: "Jedes bei der Mahd getötete Rehkitz ist eines zu viel."
Naturschützerin wie Jäger wollen dabei die mähenden Landwirte nicht in die Ecke des Bösen stellen. Zum einen gebe es keinen Landwirt, der gerne über schutzlose Tiere mähe. Zum anderen würden Kadaverteile, die ins Futter gelangen, dieses ungenießbar machen, ja sogar vergiften. "Da droht die Gefahr von Botulismus" (lebensbedrohliche, meist durch verdorbenes Fleisch oder nicht fachgerecht eingekochtes Gemüse hervorgerufene Vergiftung - Anm. d. Red.), erklärt die Biologin. Dessen aber ungeachtet: " Die Kommunikation zwischen Landwirten und Jägern könnte hier und da aber etwas besser sein", weiß Marion Morcher aus Gesprächen mit Jägern. Grundsätzlich empfehlen die Jagdverbände, mindestens 24 Stunden vor der Mahd den Jagdpächter zu informieren, damit dieser geeignete Maßnahmen zur Wildtierrettung ergreifen kann. Apropos Kitzrettung: Wildscheuchen, Vergrämen und großflächiges Begehen des zu mähenden Grünlandes seien zwar gangbare Möglichkeiten, meint Fehr. "Hundert Prozent erfolgversprechend sind sie aber nicht."
Schutzraum wird zur Falle
Für das Problem, das national, ja international auftritt, fordern Marion Morcher wie Andreas Fehr denn eine "durchschlagende Lösung". "Jäger, Umweltverbände und Landwirte müssen sich zusammentun, um die Politik für das immens wichtige Thema zu sensibilisieren", wünscht sich Marion Maucher. Da müsse viel Druck aufgebaut werden, ist sie überzeugt. Die Technologie sei da, sagen Jäger wie BUND-Vertreterin unisono. Was fehle, sei die öffentliche Finanzierung auf nationaler Basis. Der stellvertretende Kreisjägermeister kann sich in diesem Zusammenhang durchaus vorstellen, " dass wir hier vor Ort ein Probenprojekt mit einer drohnengetragenen Wärmebildkamera durchführen und begleiten".
Eigentlich soll hohes Gras das rund ein Kilo schwere Rehkitz schützen. Die Ricke versteckt ihr Kitz während der Aufzucht vor natürlichen Feinden wie Füchsen oder Raubvögeln nämlich in üppigen Wiesen. "Vor allem dort, wo die Sonne hinscheint, das Kitz die lebensnotwendige Wärme bekommt", weiß der Jäger. Ein allein im Gras liegendes Kitz wurde demnach keineswegs im Stich gelassen, sondern harrt dort aus, bis die Ricke es zum Säugen aufsucht. Und solches passiert zur Zeit der Landmahd: Der Schutzraum kann so zur tödlichen Falle werden.