Friedrichshafen / sz - Am Samstagnachmittag ist in Friedrichshafen das 27. Internationale Bodenseefestival offiziell eröffnet worden. Schon seit einigen Tagen war die große Ausstellung "Tripolis Praga" zur Prager Moderne um 1900 als erster Vorbote im Foyer des Graf-Zeppelin-Hauses zu sehen, jetzt steht unter dem Motto "Böhmen am See" einen Monat lang Böhmen und seine Kultur im Fokus.
Bürgermeister Peter Hauswald begrüßte unter den Gästen den Direktor des Tschechischen Zentrums München, Ondrej Cerný, der dank seiner guten Vernetzung die Ausstellung nach Friedrichshafen gebracht und bei der Auswahl der Künstler viel geholfen habe. Die Ausstellung stelle Prag als Schmelztiegel der Kulturen, als Brücke zwischen Ost und West, Tradition und Avantgarde vor und sei damit ein stimmiger Rahmen für das Festival. Hauswalds Dank galt dem Team Bettina Pau und Winfried Neumann für die Organisation.
Schon mit den ersten Takten schuf das Pavel Haas Quartett, das diesjährige Ensemble in Residence, Atmosphäre. In feinem Pianospiel malte das Quartett mit einem Satz aus Dvoraks Streichquartett F-Dur op. 96 ein Stimmungsgemälde in Pastelltönen und weckte die Lust, ihm in Konzerten zu begegnen.
Im Namen des Generalkonsuls begrüßte Ondrej Cerný die Zuhörer. Er zeigte sich begeistert: "Die Programmauswahl ist von hohem Niveau und repräsentiert sehr gut die tschechische Kultur." Die Ausstellung zeige, wie das tschechische, deutsche und jüdische Element die Stadt Prag, die Literatur, Musik und Architektur geprägt haben: "Genießen Sie die Ausstellung und das Bodenseefestival."
Schön warm
Als zweiter musikalischer Bote spielte das Prager Cello Quartett. Ungewöhnlich wie die Besetzung mit vier Celli ist der bestechend schöne warme Klang dieses Ensembles, das mit Dvoraks "Waldesruh" und Smetanas "Moldau" träumen und mit Dvoraks "Humoresque" schmunzeln ließ.
Zum Festvortrag hatten die Veranstalter Radka Denemarková eingeladen, die nach einem Studium der Germanistik und Bohemistik am Institut für tschechische Literatur in Prag lehrt, zudem als Übersetzerin arbeitet und als freie Schriftstellerin Literaturpreise erhielt. Der Titel ihres Vortrags "Shakespeare hat recht: Böhmen liegt am Meer" nahm Bezug auf Ingeborg Bachmanns Gedicht "Böhmen liegt am Meer". Böhmen war für die Dichterin eine Formel für eine versunkene Kultur. "Ich höre das Gezwitscher der Schwalben am Bodensee" war Radka Denemarkovás Leitmotiv: Schwalben, für die keine Grenzen, keine Nationalitäten, keine Sprachen existieren. Schwalben, die nur die Menschen sehen und ihre Körpersprache. Nach einem Exkurs zu Johannes Hus, zu Dichtern wie Franz Kafka, Max Brod und Herta Müller endete sie mit dem Aufruf, der eigenen Art treu zu bleiben, seinen eigenen Weg zu gehen: "Wir sollten uns vermischen, aber die Herkunft nicht verleugnen. Das Ich darf nicht in einer nationalen Schublade verschwinden."