Friedrichshafen / sz - Festakt, Familientag, Fanta-4-Festival: Die ZF Friedrichshafen AG feiert ihren 100. Geburtstag in diesem Jahr mit vielen großen Partys. Die Schwäbische Zeitung nimmt den runden Geburtstag zum Anlass, mehr als einen Blick auf den größten Arbeitgeber der Region zu werfen, der zudem über seinen Hauptgesellschafter Zeppelin-Stiftung in ganz besonderer Weise mit der Stadt Friedrichshafen verbunden ist. Bis zum eigentlichen Gründungstag am 9. September wollen wir Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Konzern beleuchten, an große Erfolge, aber auch Flops der Firmenhistorie erinnern, uns mit der Rolle des Unternehmens in der Stadt auseinandersetzen und natürlich auch viele Menschen zu Wort kommen lassen, die für ZF arbeiten.
Zum Auftakt haben wir fünf Gastautoren, die mit dem Konzern in ganz unterschiedlicher Weise teils sehr eng, teils nur ganz am Rande verbunden sind, gebeten, für uns die Frage zu beantworten: Welche Rolle spielt ZF in Friedrichshafen?
"Ein Glücksfall der Geschichte"
"100 Jahre ZF belegen eindrucksvoll die Erfolgsgeschichte der 1915 gegründeten Zahnradfabrik. Ein Jahrhundert herausragende Leistungen in Ingenieurskunst und Unternehmensführung und ein Jahrhundert großartige Schaffenskraft, Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und Können von vielen Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Konsequenz: der gemeinsame Aufbau einer Weltmarke.
Die ZF hat heute mehr Beschäftigte als die Stadt Friedrichshafen Einwohner. Wenn der Zusammenschluss mit TRW im Jubiläumsjahr 2015 perfekt ist, werden es rund 138 000 Mitarbeiter weltweit sein, mehr als das Doppelte. Unsere ZF: verwurzelt in Friedrichshafen, mit ihren Produkten zuhause auf allen Kontinenten.
Die Stadt Friedrichshafen hält über die Zeppelin-Stiftung – ein Glücksfall der Geschichte – 93,8 Prozent der Anteile an der ZF Friedrichshafen AG. Enger kann eine Verbindung zwischen einer Stadt und ihrem größten Unternehmen nicht sein. Davon profitieren vor allem die Menschen in Stadt und Region. Und die ZF macht die schöne Stadt am Bodensee weltweit bekannt. Wie zuvor Graf Zeppelin mit seinen Luftschiffen.
Die Visionäre und die Schaffer vom Bodensee – beide bilden untrennbar den historischen Markenkern des Weltkonzerns ZF. Diesen gilt es zu wahren und für die Zukunft zu nutzen, gerade in einer globalisierten Welt. Wir gratulieren zum 100. Geburtstag! Alles Gute für die Zukunft!"
Andreas Brand, Oberbürgermeister und ZF-Aufsichtsrat
"Friedrichshafen braucht eine starke ZF"
"Die ZF Friedrichshafen AG war und ist in unserer Stadt Garant für sichere Arbeitsplätze – und damit für Teilhabe und Wohlstand der Menschen in unserer Region. Starke Betriebsräte, aktive Metallerinnen und Metaller und eine kooperative Mitbestimmungskultur haben – bei allen kleinen und großen Auseinandersetzungen – gute Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen geschaffen und langfristig gesichert.
Als innovatives Unternehmen hat es ZF in der Vergangenheit immer verstanden, technologischen Fortschritt mitzugestalten und damit wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben.
Das Jubiläum darf aber nicht davon ablenken, dass große Herausforderungen vor dem Unternehmen stehen: Die auslaufenden Abnahmen von MAN müssen am Standort Friedrichshafen kompensiert und neue Produktpaletten und Kunden erschlossen werden. Die Integration von TRW wird nicht nur ein betriebswirtschaftlicher Kraftakt, sondern auch eine Herausforderung für die Unternehmenskultur. Und nicht zuletzt müssen die rasanten technologischen Veränderungen gemeistert werden.
Friedrichshafen braucht auch in Zukunft eine starke ZF. Wir erwarten von dem Unternehmen, dass sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen auch langfristig gesichert werden. Die IG Metall wird als starke und selbstbewusste Interessenvertretung auch weiterhin dafür eintreten."
Enzo Savarino, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben und Aufsichtsratsmitglied der ZF Friedrichshafen
"Ein bisschen Bodensee-Oberschwaben fast überall auf der Welt"
"ZF ist ein visionärer und innovativer Lösungsanbieter für Fahrzeugtechnik – von Getriebe- und Antriebstechnik über Leichtbau bis zur Elektrifizierung und künftig noch mehr Sicherheits- und Assistenzsystemen. ZF hat das Gesicht der Wirtschaftsregion Bodensee-Oberschwaben geprägt und wird es auch weiterhin tun. Die ehemalige "Zahnradfabrik" entwickelte sich zum Motor für unseren Standort. Von ihr hängen Existenz und Wohlstand von weit mehr Menschen ab, als das Unternehmen Mitarbeiter zählt. Jeder fünfte Beschäftigte in der Region arbeitet im Bereich Maschinenbau oder FuE- bzw. unternehmensnahe Dienstleistungen. Über die Zulieferindustrie oder Ingenieurbüros hinaus sichert ZF Arbeitsplätze auch in anderen Sektoren, von der Logistik bis zu Dienstleistungen. Viele Betriebe gäbe es ohne ZF als Kunden gar nicht. Und manch einer hat aus einer Beschäftigung bei der ZF heraus den Schritt in die Selbständigkeit gewagt.
Zudem ermöglicht die Zeppelin-Stiftung unschätzbares gesellschaftliches Engagement. Die ZF ist in all den Jahren zu einer starken Marke mit einer enormen Anziehungskraft geworden. 2014 war die ZF auf Platz 10 der aktivsten Anmelder beim Deutschen Marken- und Patentamt. Die ZF ist also ein Zentrum der Innovation und ein attraktiver Arbeitgeber. Dank ihrer Anziehungskraft kommen Fachkräfte aus der Region und auch von weit her, um hier zu arbeiten und zu leben. Und dank ZF findet sich ein bisschen Bodensee-Oberschwaben fast überall auf der Welt. Das macht uns zurecht stolz."
Heinrich Grieshaber, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben
"Konzern und Stadt profitieren"
"1915, im Gründungsjahr von ZF, konnte niemand ahnen, wie sehr die Firma einmal das Gesicht ihrer Heimatstadt prägen sollte.
In den 1920er-Jahren beschäftigte die "Zahnradfabrik" schon mehr als 500 Mitarbeiter, und in vielen Kraftfahrzeugen taten bereits ZF-Getriebe ihren Dienst. Als Teil des Zeppelin-Konzerns trug ZF nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 dazu bei, dass die Stadt Friedrichshafen einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung erlebte.
Der Preis dafür war hoch: Die Stadt wurde ein Zentrum der Rüstungsindustrie und damit im Zweiten Weltkrieg zum bevorzugten Ziel alliierter Bomber. Die Zerstörung der Altstadt 1944/45 war die bittere Konsequenz.
Der Grundstein für die künftige, überaus fruchtbare Beziehung zwischen dem Unternehmen und "seiner" Stadt wurde im August des Jahres 1950 gelegt. Vermittelt über die Zeppelin-Stiftung wurde die Gemeinde Friedrichshafen Mehrheitseigentümerin der ZF Friedrichshafen AG.
Beide Seiten profitierten: ZF zeigte sich als herausragender Förderer des städtischen Lebens und gewann zugleich einen Gesellschafter, für den nicht das schnelle Geld, sondern nachhaltiges Wachstum Priorität hat. Sowohl im Prozess der internationalen Expansion als auch beim Einstieg in neue, innovative Geschäftsfelder war das ein großer Vorteil für die ZF Friedrichshafen AG – und wird es auch im 21. Jahrhundert sein."
Stephan Paetrow, Autor des Buches "Bewegte Geschichte. Die ZF Friedrichshafen AG 1915-2015"
"Was heißt heute konsequent?"
"ZF und FN – eine hundertjährige Erfolgsgeschichte. Eine Wirtschaftsgeschichte, die der christlichen Soziallehre entspricht: leben und leben lassen in Sozialpartnerschaft, fairer Umgang miteinander, vielfältig-gesellschaftliches Engagement. Was für ein Glück für die Stadt! 100 Jahre machen nachdenklich: statt Lobesworten deshalb neue Herausforderungen. Im Leitbild der ZF steht: "Gesellschaftliche Verantwortung ist für das Stiftungsunternehmen ZF ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur - und wird konsequent gelebt". Was heißt heute gesellschaftliche Verantwortung, was konsequent?
Reicht es, die Dividende zu überweisen oder könnte ZF zusätzlich in den sozialen Wohnungsbau investieren? Wo findet ein Hartz IV-Empfänger eine Bleibe in der Stadt für 330 Euro Kaltmiete?
Sollen Stadt und Firma auch andere Standort-Kommunen am Gewinn beteiligen? Der Erfolg ist ja nicht nur Verdienst der Häfler, sondern aller ZF-Beschäftigten. Können an anderen Standorten Stiftungen nach dem Vorbild FN eingerichtet werden?
Subjektiver Eindruck meinerseits ist eine zunehmende Verdichtung der Arbeit, auch in der ZF. Straffung bringt mehr Gewinn, auch mehr Opfer. Könnte eine Haltung des "Genug" Entlastung und work-life-balance bringen? Beschäftigte wären stolzer auf ihren Betrieb, es hätte Signalwirkung für andere Firmen. Lassen sich ZF und FN auf eine neue Form des Wirtschaftens ein, die noch mehr dem Gemeinwohl dient? Ich bin gespannt auf die Antworten."
Werner Langenbacher, katholischer Betriebsseelsorger