Friedrichshafen / sz - Er soll sich gegenüber einer Frau und deren Tochter nackt gezeigt, an sich rumgespielt und etliche Fotos geschossen haben: Ein Rentner aus Friedrichshafen musste sich gestern wegen sexuellen Missbrauchs vor dem Tettnanger Amtsgericht verantworten. Weil ihm die Schuld nicht nachgewiesen werden konnte, wurde das Verfahren letztlich gegen eine Geldauflage von 600 Euro eingestellt.
Rückblick: Zwischen März und Juni 2014 soll sich der Rentner aus Friedrichshafen von seinem Balkon aus einer 34-jährigen Frau und deren zehnjähriger Tochter nackt gezeigt haben, wie Staatsanwalt Jörg Bogenrieder ausführte. Die Beteiligten wohnen in gegenüberstehenden Häusern, die über einen Innenhof verbunden sind. Dort befinden sich auch die Balkone. Der ehemalige Koch, der im zweiten Stock lebt, soll gegenüber der Frau und deren Tochter, die im dritten Stock wohnen, sexuelle Handlungen am erigierten Glied an sich vorgenommen, sie ausgelacht und sie aufgefordert haben, zu ihm rüber zu kommen. Ferner habe sie der Mann immer wieder fotografiert. "Ich habe Angst vor dieser Person", sagte die sichtlich nervöse Frau im Zeugenstand.
Nur: Wie oft und wann genau es zu diesen obszönen Vorfällen kam, konnte die Frau nicht genau sagen, übersetzte ihre Dolmetscherin während der Verhandlung. "Etwa zwei- bis dreimal" sei es passiert, die Frau erinnere sich "nur mehr oder weniger". Auch nach mehrmaligem Nachfragen des Staatsanwalts ließ sich nicht sicher ermitteln, an welchem Tag die Ereignisse geschehen sind, wie sie den Mann, der nur Deutsch spricht, überhaupt verstanden hat, und wie oft es zu den sexuellen Handlungen gegenüber ihr und der Tochter kam. Mal habe die Frau den Mann angezeigt, ein anderes Mal nicht, erklärte sie. Mal rief ihr Mann umgehend die Beamten zur Hilfe, mal zogen zwischen Vorfall und Anzeige ein paar Tage ins Land. All das konnten Staatsanwalt und Richterin gestern nicht sicher feststellen.
Nach der Meldung bei den Beamten habe sich das Verhalten des Angeklagten nicht geändert, beteuerte die Zeugin. Noch bis vor einer Woche habe der Mann Fotos von der 34-Jährigen und ihrer Tochter geschossen, was zur Folge hatte, dass sie Frau selbst zur Kamera griff und den Mann fotografierte – als dieser unbekleidet auf dem Balkon stand.
Kollaps vor dem Gerichtssaal
Vor diesem Hintergrund Feststellungen zu treffen, gestaltete sich für den Staatsanwalt trefflich schwierig. "Ich muss mir eine Menge vorstellen", bilanzierte Bogenrieder schließlich. Einerseits gebe es die Bilder, die den Rentner nackt auf dem Balkon zeigten, andererseits wisse er auch um die problematischen Nachbarschaftsverhältnisse unter den Beteiligten. "Ich lüge nicht!" sagte die 34-Jährige immer wieder, bevor sie noch während der Zeugenaussage in Tränen ausbrach. Vor dem Gerichtssaal kollabierte die Frau. Die Tochter wurde nicht mehr vernommen.
Währenddessen einigten sich Staatsanwalt, Rechtsanwalt und die Richterin auf eine Verfahrenseinstellung nach Paragraph 153a StPo. Der Angeklagte muss eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro an den Kinderschutzbund bezahlen. Für den Angeklagten eine hohe Summe: seine Rente beträgt grademal 325 Euro. Verschuldet ist er obendrein.
"Ich habe sowas nicht gemacht", dementierte der Angeklagte. Zwar gehe er in den Sommermonaten nach dem Duschen des Öfteren im Bademantel auf den Balkon, um sich zu sonnen, sexuelle Handlungen habe er aber nie an sich vorgenommen. "Ich habe drei Kinder, ich verurteile solche Taten selbst", so der verheiratete Rentner, der zum Tatzeitpunkt alkoholsüchtig war. Der Mann, der seit einem halben Jahr trocken ist, leide außerdem an einer erektilen Dysfunktion, weshalb er ein Implantat trage. "Ohne das tut sich nix."