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Nichts als die Wahrheit

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Friedrichshafen / ler - Fast möchte man meinen, die ältere Dame auf der Bühne sei echt, wäre da nicht, wenn sie den Kopf reckt, ein zu großer Adamsapfel und ihre etwas zu breiten Knie. Ernst-Johann Reinhardt hat Lilo Wanders am Freitag im Bahnhof Fischbach ganz schön glaubhaft dargestellt – und ganz schön wenig überzeichnet, wenn man mit anderen Travestiekünstlern und dem rosahaarigen Ankündigungsfoto vergleicht.

Lilo Wanders ist Kult: Die gealterte Lady plaudert aus dem Nähkästchen, erzählt dem Publikum ihr komplettes Leben (das eigentlich Reinhardts tatsächliche Biografie ist, zumindest weitgehend). "Ich habe etwa 15 Jahre auf dem Gymnasium verbracht", verrät sie und schildert die Gründung des Schmidt Theaters. "Ich habe in meinem Leben alles gemacht", meint sie dann augenzwinkernd. Selbst Pornos habe sie synchronisiert. "Das ist total einfach, man muss nur auf Deutsch stöhnen!" Sie spickt ihre Ausführungen immer mal wieder mit einer Lebensweisheit, einem guten Rat oder einem Publikumsbrief. "Der liebe Gott wollte eigentlich, dass ich Fernfahrer werde", meint sie einmal, denn sie lege auf Tour jedes Jahr mehr als 50 000 Kilometer zurück. Insgesamt geht es wenig sentimental zu. Die Liebe ist dabei das zentrale Thema und wird von ihr von allen Seiten beleuchtet.

Mit eindrücklichen und besonders komischen Beispielen erklärt Wanders, wieso Männer und Frauen eigentlich gar nicht zusammen passen. "Beziehungsstatus: Es ist kompliziert" heißt ihr Programm daher auch sehr passend. Es geht dabei ein wenig zu wie irgendwo beim Kaffeekränzchen. Die Zuschauer kommentieren zu ihren Nebensitzern gewandt und Lilo plaudert von der Bühne aus mit ihnen, als handle es sich wahlweise um alte Bekannte oder auch mal die Kinder, denen man einen Rat mitgeben müsse.

"Es ist alles wahr, was ich erzähle.", betont die 60-Jährige und so wirkt es zumindest auch auf die Anwesenden. Rund zweieinhalb Stunden lauschen sie den Erzählungen und Beziehungsratschlägen der "großen alten Dame des Poppens" (wie sie einmal anmoderiert worden sei). "Wenn die Frau sagt: ,Schenk mir bloß nichts zum Hochzeitstag!’ ist das nur eine Datumserinnerung", erläutert sie etwa den anwesenden Männern. Frauen sprächen selten direkt aus, was sie meinten, bestätigt sie ein Klischee und schmückt es mit vielen Beispielen aus, in denen sich einige Zuschauerinnen direkt wiederzuerkennen scheinen.


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