Friedrichshafen / sz - Nach dem Gag ist vor dem Witz. Priols Kopf ist rund. Und Urbans Show dauert meist länger als ein Fußballspiel. So einfach kann das Leben sein. Wenn man denn will. Doch Kabarettist Urban Priol tickt anders, wie der langjährige Macher der Sendung "Neues aus der Anstalt" am Freitag im Graf-Zeppelin-Haus in seinem neuen Programm "Jetzt" gezeigt hat.
Jetzt – das ist die Krönung des Politik-Kabaretts auf kleinem intellektuellen Niveau, doch mit viel Witz und Unterhaltungswert. So kracht Urban Priol gleich von Anfang an mit der Wucht eines mit Betonpfosten beladenen Sattelschleppers gegen verkrustete Politikprofis, zerlegt auf dem heißen Asphalt was übrig bleibt mit dem Filetiermesser, schmunzelt dazu oder wettert wie eine Hexe. Oder haut gleich die nächste Pointe raus, wenn er Angela Merkel im süßen Ton an ihre eigenen Worte erinnert. "Mit mir wird es keine Maut geben. Doch es gilt ja das gebrochene Wort." Grölen. Auch über die Buchstabensuppe, in der Priol neulich rumspielte und die Buchstaben neu zusammensetzte. "So wird aus Bundeskanzlerin plötzlich Banken-Zins-Luder. Das passt auch", ist sich der gebürtige Aschaffenburger sicher. "Doch halt, kein kritisches Wort zur Kanzlerin. Mein Psychotherapeut hat mir Aufheller verschrieben. Ich hab die ganze Garage voll, die reichen bis zur Abwahl von Merkel im Jahr 2056."
Viel lieber nimmt sich der Mittfünfziger mit den scheinbar elektrisierten Haaren Bundesverkehrsminister Dobrindt vor, "den mentalen Einzeller, bei dem sie wohl die Schaukel zu nah an der Hausmauer gebaut haben". Vom Inland zum Ausland: "Spricht noch jemand von der Krim? Da gab’s doch mal einen gleichnamigen Schädelspalter, oder?" Am liebsten würde Priol die "Ostukraine gegen Griechenland eintauschen". "Die Welt ist aus den Fugen. Und kein Fliesenleger weit und breit."
Die "Bild" als Biotop
Überhaupt sei Griechenland das Baueropfer. "Schließlich braucht die Krise ein Gesicht". Gerade die Boulevard-Presse skizziere dieses Bild, motzt Priol gegen das Blatt mit den vier dicken Lettern, das im Grunde genommen ein "Biotop für verhaltensgestörte Journalisten" ist. Doch Priol zieht auch die vermeintliche Wochenzeitung der Intellektuellen zum Galgen. "Der Spiegel galt früher als Kanonengeschütz der Gesellschaft, heute ist er nur noch ein feuchtes Zündplättchen des Kanzleramts." Dann gute Nacht.
Apropos: "Mit ,guten Tach’ zu grüßen ist doch politisch korrekt?" Doch neulich meckerte einer zurück "Was soll an dem Tag gut werden?" "Ein ,Grüß Gott’ kann ebenfalls eine Falle sein. "Eh, willst du meinen Gott beleidigen", spielt Priol die Reaktion eines Muslims vor. Und auch das Mannheimer Allzweckfüllwort "Alla gut" kann einen um Kopf und Kragen bringen. "Das hab ich vor ein paar Wochen in Dresden gesagt, da war das Missverständnis programmiert. "Was soll an Allah gut sein?"
Doch zurück zum Urbans Lieblingssandkasten: die Politik. "Während Schäuble auf seine Schwarze Null fixiert ist wie Kapitän Ahab auf den weißen Wal, redet sich Uschi alles schön. "Sie ist halt die letzte Blendgranate der Bundeswehr, die noch funktionstüchtig ist." "Da haben sich zwei Frauen gefunden, die zusammenpassen: Angela Merkel und Ursula von der Leyen, eben "Miss Management und Miss Erfolg". Oder war die Schreibweise so: Missmanagement und Misserfolg? Lachen, Applaus. Und an Uschi lässt der Kabarettist kein gutes Haar: "Das blonde Fallbeil hat einen begrenzten Wortschatz. Immer nur: das ist wichtig, das ist richtig. Das ist wichtig, das ist richtig." Nach zwei Stunden politisches Zerlegen und Treten wird deutlich, was Priol vermisst. "Politiker von Format." Doch das gemeine Volk ist aus seiner Sicht auch nicht viel besser: "Wir sind Wackeldackel auf der Hutablage der Demokratie." Jetzt. Urban Priol beißt zu.