Friedrichshafen / sz - Das "Alte Rathaus" in Ailingen hat einen neuen Besitzer. Die Firma Volkwein&Eberle GmbH, bislang größter Gläubiger des ehemaligen Eigentümers, hat bei der Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht Tettnang den Zuschlag für den traditionsreichen Landgasthof bekommen.
"Jetzt sieht man mal, was die Immobilien in Ailingen wirklich wert sind." Hannes Eberle und Michael Volkwein, die neuen Besitzer des "Alten Rathaus", mussten sich nach der Zwangsversteigerung schon den ein oder anderen Spruch anhören. Für 250 000 Euro haben die beiden am Donnerstag den Landgasthof mitsamt dem dahinter liegenden Wohnhaus und Parkplatz gekauft. Weil ein Gutachter die Immobilie auf gut 1,28 Millionen Euro geschätzt hatte, fragte sich so mancher, warum sie letztlich zu einem Fünftel des Verkehrswerts unter den Hammer kam. Dem Verdacht, ein Superschnäppchen gemacht zu haben, tritt Michael Volkwein energisch entgegen. "Als Gläubiger sind wir mit diesem Gebot ähnlich gestellt, wie wenn ein Dritter die sieben Zehntel des Verkehrswerts – also 980000 Euro – geboten hätte."
Zur Erklärung: Bei der Zwangsversteigerung des "Alten Rathaus" galten zwei magische Marken: Unter "fünf Zehntel" des Verkehrswerts hätte das Gericht ein Gebot zurückweisen können, unter "sieben Zehntel" ein Gläubiger. Während ein unbeteiligter Dritter also mindestens 640 000 Euro hätte bringen müssen, konnten Volkwein&Eberle als so genannte "dinglich Berechtigte" auch weit darunter einsteigen. Der Knackpunkt: Mit den 250000 Euro kaufen Volkwein&Eberle nicht nur Grund und Steine, sondern auch eine Vielzahl von möglichen Zahlungsverpflichtungen.
Gut 40 Besucher hatten sich im Sitzungssaal II des Tettnanger Amtsgerichts gedrängelt – offensichtlich waren sie aber weniger am Kauf des "Alten Rathaus" interessiert als vielmehr an dessen Verbleib. Diejenigen, die eine Bieterschlacht mit wilden Zwischenrufen und fliegenden Armen erwartet hatten, dürften enttäuscht nach Hause gegangen sein.
Schönstes Juristendeutsch
Zunächst trug die Richterin in schönstem Juristendeutsch Regularien vor, die nur die wenigsten im Raum verstanden. Mit Begriffen wie "Grunddienstbarkeiten", "Zuzahlungswert" oder "Grundschuld aus der Rechteabteilung 3" sorgte sie für manches Schmunzeln und Augenrollen. Nach einer Dreiviertelstunde wurde endlich das erste Gebot aufgerufen und die 30-minütige Bieterzeit bis 15.14 Uhr festgesetzt. Die meisten nutzten die Zeit für einen angeregten Plausch mit dem Nachbarn, ehe Hannes Eberle schließlich um 15.12 Uhr nach vorne trat und sein Gebot abgab – es sollte das einzige bleiben.
Was geschieht nun mit dem "Alten Rathaus"? "Ziel ist, dass wir einen Betreiber finden, der den Gasthof weiterführt", sagt Michael Volkwein. Zunächst solle aber eine Bestandsaufnahme erfolgen, um den Sanierungsbedarf zu ermitteln. Der Landgasthof steht nämlich schon einige Jahre leer, der ehemalige Besitzer verbüßt eine Gefängnisstrafe. "Wir wollen investieren und das Haus zunächst auf einen zeitgemäßen Stand bringen", kündigt Hannes Eberle an. "Am liebsten unter früher Beteiligung des zukünftigen Betreibers."