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Pianistin Annika Treutler fasziniert in der Reihe "Earthquake"

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Friedrichshafen / sz - Zwischen Klavierabenden in Hamburg und Chile hat die 24-jährige Pianistin Annika Treutler am Sonntagmorgen in der Reihe Earthquake in Friedrichshafen gastiert. Und wieder haben die Zuhörer im gut gefüllten Kiesel ein außergewöhnliches Konzert erlebt.

Außergewöhnlich nicht nur, weil die Pianistin, die mit 21 Jahren an der Musikhochschule in Rostock ihr Diplom mit Höchstpunktzahl abgeschlossen und seither zahlreiche Wettbewerbspreise errungen hat, mit besonderer Spielkultur begeistert, sondern weil die Reihe Earthquake den Künstlern die Freiheit für Programme abseits des Üblichen lässt. Grundpfeiler ist ein Beethoven-Werk, doch das Besondere sind die Werke, die ihm gegenübergestellt werden, wobei nicht nach Publikumsträchtigkeit geschielt werden muss. Die Klavierreihe hat sich inzwischen ein Publikum geschaffen, das das hohe künstlerische Niveau kennt und offen und neugierig genug ist für Entdeckungen. Sympathisch ist, dass viele der Künstler jüngere oder zeitgenössische Werke selbst erläutern, was das Erleben intensiviert.

Spirituelle Atmosphäre

Auch Annika Treutler hat sich vor ihrem Spiel charmant an die Zuhörer gewandt und Zusammenhänge zwischen den Werken von Olivier Messiaen und Toru Takemitsu aufgezeigt. Nach einem Moment der Sammlung setzte sie mit einem Stück aus Messiaens Suite "Vingt regards sur l’enfant Jesus" ein und man durfte die gewichtigen Gottesakkorde, das schmerzhaft gesteigerte Magnificat der Jungfrau, die zart verklingende Seligkeit ihrer ersten Kommunion nachvollziehen. In großer Ruhe ließ Treutler die spirituelle Atmosphäre entstehen, den lange ausgehaltenen Schlusston entschweben. Den "Rain Tree Sketch II" von Toru Takemitsu schloss sie unmittelbar an, führt doch der japanische Komponist, wie Treutler vorher erläuterte, in seinem stillen Werk den Stil seines Mentors und spirituellen Lehrers Messiaen fort. Federleicht berührten die Finger der Pianistin die Tasten, auf ihren Zügen malte sich die Hingabe, lange hallte der letzte Ton nach.

Welche Fülle entfaltete sie danach in Beethovens Sonate Nr. 3 C-Dur op. 2,3. Zu federnder Leichtigkeit, fröhlicher Verspieltheit kam eine dynamische Kraft, eine barocke Fülle, dann wiederum meinte man Mozart zu hören. Schwärmerischer Nachtgesang war das Adagio, das sich expressiv steigerte, brillant der heitere Schluss.

Noch einmal sah die Pianistin Erklärungsbedarf, hat sie doch den "Bürgerschreck" Hindemith ans Ende gesetzt, der viel mehr Humor zeige, als man gemeinhin erwarte. Als "kitschig" habe er seine Suite für Klavier op. 26 bezeichnet, die neben robuster Lautstärke mit melodiösen, ja impressionistisch flirrenden Passagen überrascht. Kurz und knackig kam mit gehämmertem Ragtime der Schluss. Mit dem idyllischen "Hochzeitstag auf Troldhaugen", dem Hügel der Trolle, ließ die Pianistin die Matinee ausklingen.


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